Israel:Netanjahu kämpft um sein Amt

Nach zwölf Jahren will eine bunte Koalition aus acht Parteien den Premier stürzen. Doch dieser versucht nun, insbesondere die rechtsgerichteten Gegner zurück auf seine Seite zu holen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu stemmt sich mit aller Macht gegen seine drohende Ablösung. Die neue Koalition aus acht Parteien, auf die sich seine Gegner in der Nacht zum Donnerstag geeinigt haben, schmähte er in einer ersten Reaktion als "gefährliche linksorientierte Regierung". Er forderte alle Abgeordneten rechter Parteien auf, bei der noch ausstehenden Vertrauensabstimmung im Parlament gegen die Bildung dieser Regierung zu stimmen. So will er einen Keil in die neue Koalition schlagen, die im Parlament nur über eine denkbar knappe Mehrheit von 61 der 120 Abgeordneten verfügt.

Zur sogenannten Koalition des Wandels gehören auch drei ausgewiesen rechte Parteien, mit deren Führung sich Netanjahu überworfen hatte. Je zwei Parteien werden dem linken und dem Zentrumslager zugerechnet. Erstmals hat auch eine Partei der arabischen Minderheit in Israel ein Koalitionsabkommen unterzeichnet, was von vielen im Land als "historisch" bezeichnet wird. Die konservativ-islamische Raam-Partei hatte nach der Wahl vom 23. März auch mit Netanjahu verhandelt. Nach dieser vierten Parlamentswahl innerhalb von zwei Jahren hatte dieser jedoch erneut keine tragfähige Mehrheit zustande gebracht.

Der Auftrag zur Regierungsbildung war deshalb an Jair Lapid von der liberalen Zukunftspartei weitergegeben worden. Nach dramatischen Verhandlungen bis zur letzten Minute teilte er am Mittwoch um kurz vor Mitternacht dem Präsidenten Reuven Rivlin den Erfolg seiner Bemühungen mit. In einem vereinbarten Rotationsverfahren soll zunächst Naftali Bennett von der rechten Jamina-Partei Netanjahu als Regierungschef ablösen. Nach gut zwei Jahren soll dann Lapid, der als Architekt der neuen Koalition zunächst als Außenminister vorgesehen ist, das Premiersamt übernehmen.

Lapid rief umgehend das ganze Land zur Einigkeit auf. In der politischen Praxis allerdings verhärten sich die Fronten zunehmend. Netanjahu versammelte am Donnerstag Siedlerführer sowie rechte und religiöse Politiker zu einer Krisensitzung in seinem Amtssitz, um zu besprechen, mit welchen Mitteln Druck auf einzelne Koalitionäre ausgeübt werden könnte. Längst schon werden die abtrünnigen Rechten als "Verräter" gebrandmarkt und in sozialen Netzwerken mit Drohungen überhäuft. Bennett bekam deshalb in einem ungewöhnlichen Schritt am Donnerstag Personenschutz vom Inlandsgeheimdienst Schin Bet.

Zum Streitpunkt wird nun das Datum der Vertrauensabstimmung und Vereidigung im Parlament. Der zu Netanjahus Likud gehörende Knesset-Sprecher könnte den Termin bis zum 14. Juni hinauszögern. Angesichts der drohenden Störmanöver dringen die neuen Koalitionäre dagegen auf eine Abstimmung bereits am nächsten Montag, um die Ära Netanjahus zu beenden. Er regiert das Land ununterbrochen seit zwölf Jahren und steht derzeit wegen Korruptionsverdachts in Jerusalem vor Gericht.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: