Israel:Netanjahu ruft zur Einheit und gegen Gewalt auf

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Der israelische Ministerpräsident will offenbar seine umstrittene Justizreform stoppen. Nun äußert er sich erstmals seit der Entlassung seines Verteidigungsministers. Am Nachmittag wird ein Statement von ihm erwartet.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wird mehreren Medienberichten zufolge am Montagnachmittag einen Stopp der umstrittenen Justizreform ankündigen. Eine für den Vormittag angekündigte Erklärung Netanjahus wurde dem Sender Kanal 12 zufolge verschoben.

Über Twitter schickt er mitten hinein in eine neue Welle von Protesten einen Aufruf zu Zusammenhalt und gegen Gewalt. "Ich rufe alle Demonstranten in Jerusalem, von rechts und von links, dazu auf, verantwortlich zu handeln und keine Gewalt anzuwenden. Wir sind Brüder", schreibt er.

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Vor dem Parlament in Jerusalem und in weiteren Städten Israels versammelten sich am Morgen erneut Demonstrantinnen und Demonstranten. Der Dachverband der Gewerkschaften in Israel rief zu einem Generalstreik auf. Am internationalen Flughafen Ben Gurion nahe Tel Aviv wurden alle Abflüge gestoppt.

Gegen das geplante Gesetz hatten zuletzt Hunderttausende Menschen demonstriert, auch aus der Politik gab es Kritik an dem Vorhaben. Präsident Isaac Herzog rief am Montag dazu auf, die Reform zu stoppen. Auch Verteidigungsminister Joav Gallant hatte sich dagegen ausgesprochen und wurde von Netanjahu daraufhin entlassen. Nach der Entlassung hatten sich die Proteste in Israel noch einmal zugespitzt, Zehntausende gingen erneut auf die Straßen: Die Armee wurde Medienberichten zufolge wegen der chaotischen Entwicklungen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.

Gallant hatte die Regierung am Samstagabend zum Dialog mit Kritikern aufgerufen. Er warnte, dass die nationale Sicherheit auf dem Spiel stehe. Seit Wochen ist von wachsendem Unmut im Militär die Rede, aus Protest gegen die Reform erschienen zahlreiche Reservisten nicht zum Dienst.

In Tel Aviv blockierten Demonstranten in der Nacht die zentrale Straße nach Jerusalem. (Foto: AHMAD GHARABLI/AFP)

Nachdem dort am Samstag schon 200 000 Menschen zusammengeströmt waren, gab es am Sonntagabend in Tel Aviv erneut Proteste, Demonstranten blockierten Straßen und zündeten Reifen an. Die Polizei ging mit Reiterstaffeln und Wasserwerfern gegen die Menge vor, aus der Steine auf die Einsatzkräfte flogen.

Zur gleichen Zeit soll sich Netanjahu bis tief in die Nacht mit mehreren Kabinettsmitgliedern beraten haben. Die Jerusalem Post berichtet, es sei dabei um einen Stopp der Reform gegangen. An dem Krisengespräch in seinem Büro nahmen demnach Justizminister Jariv Levin, Finanzminister Bezalel Smotrich, Bildungsminister Joav Kisch und der für strategische Fragen zuständige Minister Ron Dermer teil.

Unter Berufung auf Quellen in der Likud-Partei hieß es, Dermer und Kisch hätten für eine Aussetzung der Reform plädiert. Levin hingegen habe unter Androhung seines Rücktritts darauf bestanden, das Vorhaben gegen alle Widerstände durchzuziehen.

Die Reform sieht eine deutliche Stärkung der Regierung vor - zulasten der Justiz. Mit einfacher Mehrheit soll das Parlament Entscheidungen des Obersten Gerichts überstimmen können. Kritiker warnen davor, dass das Gesetz Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Israel bedrohe.

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