Israel:Gantz will regieren, Netanjahu rotieren

Israel: Benjamin Netanjahu, Reuven Rivlin und Benny Gantz bei der Gedenkfeier zum dritten Todestag von Schimon Peres

Benjamin Netanjahu, Reuven Rivlin und Benny Gantz bei der Gedenkfeier zum dritten Todestag von Schimon Peres

(Foto: AFP)
  • Israels durch die Wahl angeschlagener Ministerpräsident Netanjahu hat seinem Rivalen Gantz eine große Koalition angeboten.
  • Netanjahu deutete an, dass er sich für das Amt des Premierministers eine Rotation vorstellen könnte, wie es sie in den 80ern schon einmal gegeben hatte.
  • Doch Ex-Militärchef Gantz reklamiert das Amt des Ministerpräsidenten für sich.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Jerusalem

Zumindest die Hand haben sich die Rivalen nach einem harten Wahlkampf in Israel gereicht: Bei einer Gedenkfeier zum dritten Todestag des früheren Präsidenten und Premierministers Schimon Peres posierten am Donnerstag der amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein Herausforderer Benny Gantz für die Fotografen. In der Mitte stand Präsident Reuven Rivlin, der in den nächsten Tagen einen von beiden mit der Regierungsbildung beauftragen muss. Er habe "die Stimmen nach einer breiten, stabilen Regierung gehört", sagte Rivlin. Mit einem Seitenhieb auf Netanjahu fügte er hinzu: "Ich gratuliere, Herr Premierminister, dass Sie sich diesem Aufruf an diesem Morgen auch angeschlossen haben."

Noch am Vorabend hatte Netanjahu erklärt, es könne nur eine Regierung unter seiner Führung oder eine "gefährliche, antizionistische Regierung" unter Einschluss der arabischen Parteien geben. Dabei haben weder Netanjahus Lager noch jenes von Gantz nach der Parlamentswahl am Dienstag eine Mehrheit.

Als am Morgen die eintrudelnden Wahlergebnisse einen Vorsprung des blau-weißen Bündnisses von zwei Sitzen anzeigten, wandte sich Netanjahu mit einer Videobotschaft aus seiner Residenz an Gantz. Er solle sich doch seiner Koalition aus rechten und religiösen Parteien anschließen: "Es gibt keine andere Wahl, als eine breite Einheitsregierung zu bilden, die aus allen Parteien besteht, denen der Staat Israel wichtig ist", sagte Netanjahu. "Benny, wir müssen noch heute eine breite Einheitsregierung einrichten!" Er baute auch vor, dass es nicht an ihm liege, wenn es zum dritten Mal in Folge Wahlen nach gescheiterten Koalitionsverhandlungen gebe.

Nach der Wahl 1984 wechselten sich die Rivalen Peres und Schamir im Premiersamt ab

Wenig später nutzte Netanjahu seinen Auftritt bei der Gedenkfeier, um daran zu erinnern, dass Peres und Jitzchak Schamir eine Einheitsregierung gebildet hatten. Er rief Gantz auf, in Peres' Fußstapfen zu treten. Dies wurde als Hinweis darauf verstanden, dass Netanjahu eine Rotationsregierung anstrebt, wie sie Peres und Schamir vereinbart hatten. Nach der Wahl 1984 hatte weder die Arbeitspartei noch der Likud eine Mehrheit. Peres und Schamir wechselten sich zur Halbzeit der Legislaturperiode im Premierministeramt ab. Durch eine Rotation hofft Netanjahu, weiter Regierungschef bleiben zu können. Nur als Premierminister könnte er auch im Falle von Anklagen wegen Korruption bis zu einer Verurteilung weiter im Amt bleiben. Ein Minister muss schon bei einer Anklageerhebung zurücktreten. Netanjahu hatte bisher erklärt, er trete nicht zurück, weil sich die Vorwürfe als falsch herausstellen würden.

Der amtierende Regierungschef hatte angekündigt, die Verhandlungen über die Bildung einer Einheitsregierung sollten "ohne Bedingungen" stattfinden - trotzdem wurde ein Paket unterzeichnet, das dem widerspricht. Netanjahu und seine bisherigen Koalitionspartner, die Neue Rechte und die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum, vereinbarten am Donnerstag, die Koalitionsverhandlungen gemeinsam zu führen. "Keine Partei wird in eine Regierung ohne die anderen Parteien eintreten", steht in der Vereinbarung. Und: "Unser Kandidat als Premierminister ist Benjamin Netanjahu."

In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am frühen Nachmittag reklamierte Gantz das Amt des Regierungschefs jedoch für sich. Er wolle eine "breite, liberale Einheitsregierung" anführen, sagte der ehemalige Generalstabschef der Armee. "Blau-Weiß hat bei der Wahl gesiegt, sie ist die größte Partei", sagte Gantz, noch ehe das Endergebnis bekannt war. Auf Netanjahus Angebot, mit dem Likud und den anderen rechten und religiösen Parteien eine Einheitsregierung zu bilden, ging Gantz nicht direkt ein. Er wiederholte auch diesmal nicht seine Ankündigung vom Wahlkampf, dass er wegen der Korruptionsvorwürfe keinesfalls in einer Regierung mit Netanjahu sitzen wolle.

Sein Mitstreiter im blau-weißen Bündnis, Jair Lapid, bekräftigte aber, es werde nur eine Regierung ohne Netanjahu geben. Mosche Jaalon, eine weitere Führungsfigur von Blau-Weiß, legte sich fest: "Wir werden in keine von Netanjahu angeführte Koalition eintreten." Netanjahu zeigte sich enttäuscht "über diese Zurückweisung".

Auch beim Verbündeten USA scheint man sich auf einen Machtwechsel in Israel einzustellen. Deutlich auf Distanz zu Netanjahu ging US-Präsident Donald Trump. Die Frage von Journalisten, ob er nach der Wahl mit Netanjahu telefoniert habe, verneinte Trump. "Unsere Beziehung besteht mit Israel." Jason Greenblatt, der seinen Rückzug als US-Nahost-Verhandler bekannt gegeben hat, will auf seiner letzten Israel-Reise nicht nur Netanjahu, sondern zum ersten Mal auch Gantz treffen.

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