Israel:Jetzt ist Gantz am Zug

Israel: Benny Gantz hat nun 28 Tage Zeit, eine Koalition zustandezubringen.

Benny Gantz hat nun 28 Tage Zeit, eine Koalition zustandezubringen.

(Foto: AFP)
  • Weil Ministerpräsident Netanjahu es nicht geschafft hat, eine Regierung zu bilden, hat nun sein Kontrahent Gantz den Auftrag bekommen.
  • Auch seine Chancen auf eine Mehrheit stehen nicht besonders gut.
  • Möglicherweise gehen die beiden Kontrahenten in eine große Koalition und wechseln sich als Ministerpräsident ab.
  • Netanjahu drohen weiterhin Anklagen wegen Korruption.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Seit 2009 ist Benjamin Netanjahu ununterbrochen an der Macht. Zum ersten Mal seit fast zwölf Jahren geht der Regierungsbildungsauftrag in Israel nun aber an jemand anderen. Zuvor hatte es Netanjahu, der am Montag seinen 70. Geburtstag feierte, nicht geschafft, eine neue Koalition zu organisieren. Doch das ist für ihn noch nicht das politische Aus. Denn der Ministerpräsident will nicht abtreten, auch wenn er diesmal die demokratischen Spielregeln eingehalten hat.

Anders war es nach der Wahl im April: Als Netanjahu ebenfalls keine Koalition zustandebrachte, setzte der Chef des rechtsnationalen Likud einen Neuwahlbeschluss durch, der Israel im September die zweite Wahl binnen fünf Monaten bescherte. Damit verhinderte Netanjahu, dass Präsident Reuven Rivlin dem Zweitplatzierten bei der Wahl, Benny Gantz vom in der politischen Mitte angesiedelten blau-weißen Bündnis, den Regierungsbildungsauftrag übergeben konnte.

Diesmal kommt Gantz zum Zug. Er hat nun ebenfalls 28 Tage Zeit, eine Koalition zustandezubringen. Auf dem Papier sind seine Chancen nicht besser als die von Netanjahu, denn für die Mehrheit wären 61 der 120 Sitze in der Knesset erforderlich. Weder der rechte Block von Netanjahu noch das Mitte-Links-Lager um Gantz haben eine Mehrheit.

Gantz will keine Koalition mit der arabischen Gemeinsamen Liste eingehen

Netanjahus Likud und die bisherigen Koalitionspartner, die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum sowie die den Siedlern nahestehenden Partei Neue Rechte, kommen auf 55 Sitze in der Knesset. Blau-Weiß hat zwar bei der Parlamentswahl einen Sitz mehr als der Likud erhalten, aber Gantz hat nur 54 Empfehlungen von Abgeordneten bekommen, Ministerpräsident zu werden - eine Stimme weniger als Netanjahu. Deshalb hat Präsident Rivlin zuerst Netanjahu den Regierungsbildungsauftrag erteilt.

Von diesen 54 Stimmen für Gantz sind zehn von arabischen Abgeordneten der Gemeinsamen Liste. Mit dieser würde Gantz aber keine Koalition eingehen. Ob die aus vier arabischen Parteien bestehende Plattform Gantz eine Tolerierung einer Minderheitenregierung anbieten würde, ist eher unwahrscheinlich, weil sich drei ihrer Abgeordneten strikt gegen jegliche Unterstützung von Gantz ausgesprochen haben. Sie begründen dies damit, dass Gantz der ehemalige Generalstabschef der israelischen Armee ist.

Netanjahu stellt Bedingung für große Koalition

Auch wenn Gantz noch Avigdor Lieberman und dessen nationalistische Partei Unser Haus Israel, die acht Sitze erobert hatte, für eine Koalition gewinnen könnte, würde diese Koalition nur auf 52 Sitze kommen - neun weniger als erforderlich. Blau-Weiß und Likud könnten eine große Koalition bilden und kämen zusammen auf eine komfortable Mehrheit von 65 Sitzen. Aber bisher stellt Netanjahu die Bedingung, dass er nur zusammen mit den bisherigen drei anderen Koalitionspartnern in eine Regierung eintritt. Außerdem will er die erste Hälfte der Legislaturperiode als Ministerpräsident amtieren.

Denn in den nächsten Wochen, spätestens Mitte Dezember, wird Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit entscheiden, ob es in bis zu drei Fällen zu Anklagen wegen Korruption kommt. Als Minister müsste Netanjahu dann zurücktreten. Als Ministerpräsident dagegen müsste er erst nach einer Verurteilung seinen Posten räumen. Netanjahu hofft, dass nach den Anhörungen und Argumenten seiner Rechtsanwälte zumindest die Anklage gegen Bestechlichkeit fallengelassen wird und er weiter regieren kann. Gantz hat bisher wiederholt erklärt, er wolle nicht mit jemanden in einer Regierung sitzen, der von einer Anklage betroffen ist.

Allerdings hat bisher noch nie ein amtierender Ministerpräsident vor Gericht gestanden. Präsident Rivlin hat den Vorschlag gemacht, dass Netanjahu im Falle einer Anklage die Amtsgeschäfte ruhen lässt und Gantz übernimmt. Zu diesem Vorschlag hat sich Netanjahu bisher nicht geäußert.

Angesichts des politischen Patts werden Szenarien diskutiert. Eine Möglichkeit wäre eine von Gantz geführte Minderheitsregierung, die aber wegen ihrer Instabilität wenig wahrscheinlich erscheint. Denkbar ist auch, dass einer der bisherigen Koalitionspartner von Netanjahu ausschert und sich einer von Gantz geleiteten Einheitsregierung anschließt. Es könnte auch sein, dass Lieberman doch wieder in die von Netanjahu geleitete rechte Koalition eintritt, auch wenn er bisher eine weitere Zusammenarbeit mit den religiösen Parteien strikt ablehnt. Es wäre auch möglich, dass Gantz seine Vorbehalte gegen Netanjahu aufgibt und dessen Koalition beitritt - mit der Begründung, er wolle eine dritte Wahl binnen eines Jahres vermeiden.

Im Likud wächst jedenfalls schon der Widerstand und der Unmut gegen Netanjahu. Im Vergleich zum April hat die rechtsnationale Partei bei der Wahl im September etwa 300 000 Stimmen verloren und ist auf den zweiten Platz abgerutscht. Mit dem ehemaligen Bildungs- und Innenminister Gideon Saar steht ein Politiker bereit, der die Nachfolge antreten will. Aber noch hat niemand aus den Reihen des Likud Netanjahu zum Rücktritt aufgefordert - und freiwillig wird er seinen Platz nicht räumen. So geht das politische Gezerre in Israel weiter.

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