Süddeutsche Zeitung

Israel:Netanjahu bestreitet Bestechlichkeit

  • Der israelische Regierungchef soll von zwei Geschäftsmännern Vergünstigungen angenommen haben.
  • Die Polizei hat ihn drei Stunden lang zu Vorwürfen der Vorteilsnahme befragt, wie sie am Montagabend erstmals offiziell bestätigt.
  • Netanjahu streitet alle Vorwürfe ab.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Wenn ein schwarzer Sichtschutz vor der Residenz des Premierministers aufgebaut wird wie an diesem Montag in Jerusalem, dann liegt der Verdacht nahe, dass es dort etwas zu verbergen gibt. Spekulationen hatte es ja zuhauf gegeben in den vergangenen Wochen über eine neue Korruptionsaffäre des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu. Doch Polizei und Staatsanwaltschaft hatten stets eisern geschwiegen. Nun aber sind die Ermittler gegen Abend angerückt - und der Sichtschutz sollte verhindern, dass ihre Ankunft gefilmt wird. Hinter dem Vorhang wird es von nun an darum gehen, Verborgenes ans Licht zu bringen. Konkret: Hat Ministerpräsident Netanjahu sich der Vorteilsnahme oder der Bestechlichkeit schuldig gemacht?

Die Korruptionsvorwürfe geistern schon seit Monaten durchs Land. Vor wenigen Tagen dann wurde bekannt, dass Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Netanjahu angeordnet hat. Einzelheiten wurden nicht genannt. Doch Zeitungen und Fernsehen in Israel sind seither voll mit Berichten über die Affäre, bei der es um wertvolle Geschenke an den Premier und seine Familienangehörigen durch Geschäftsleute gehen soll. Nach Berichten der Tageszeitung Haaretz sollen sich diese Zuwendungen auf Hunderttausende Schekel (vier Schekel sind gleich ein Euro) summieren.

Mehr als 50 Zeugen sollen schon im In- und Ausland vernommen worden sein. Als einer der großzügigen Gönner Netanjahus wurde der amerikanische Unternehmer Ronald Lauder identifiziert, der auch Präsident des Jüdischen Weltkongresses ist. Lauder bestätigte demnach, Netanjahu unter anderem einen Anzug geschenkt und dessen Sohn Yair einen Auslandsaufenthalt finanziert zu haben. Mindestens noch ein weiterer israelischer Geschäftsmann soll sich anderweitig spendabel gezeigt haben. Laut Haaretz handelt es sich dabei nicht nur um freiwillige Geschenke unter Freunden. Netanjahu, so heißt es, sei bei den Gaben durchaus wählerisch gewesen und habe konkrete Forderungen gestellt.

Das erinnert an den Fall und Absturz von Netanjahus unglücklichem Vorgänger Ehud Olmert, der 2008 wegen Korruptionsvorwürfen als Premierminister seinen Rücktritt hatte erklären müssen. Mittlerweile ist er verurteilt worden und sitzt eine Gefängnisstrafe ab. Nach allem, was bislang vermutet wird, erreichen die Vorwürfe gegen Netanjahu jedoch nicht die Dimensionen des Falls Olmert. Allerdings wird heftig über eine weitere Ermittlung gegen Netanjahu spekuliert, die noch weitaus größere Ausmaße habe. Haaretz zufolge sollen die Ermittler darauf eher zufällig im Zuge der Nachforschungen im ersten Fall gestoßen sein. Konkretes war dazu zunächst nicht bekannt, was allerdings die Medien nicht daran hindert, ein "Erdbeben" anzukündigen für die nahe Zukunft.

Die Gelassenheit des Regierungschefs dürfte nur gespielt sein

Korruptionsvorwürfe sind für den israelischen Regierungschef nichts Neues, sie begleiten Netanjahus gesamte politische Karriere. Immer wieder ist es dabei um Luxusgüter gegangen, um teure Zigarren oder Erste-Klasse-Flüge zum Beispiel, und oft genug war auch die Familie rund um Ehefrau Sara dabei mit im Fokus. Bislang aber ist davon nie etwas haften geblieben an Netanjahu, weshalb er sich auch nun vor dem ersten Besuch der Ermittler wieder demonstrativ entspannt zeigte. "Alle früheren sogenannten Affären haben nichts ergeben, und so wird es auch mit den Vorwürfen sein, die jetzt in den Medien veröffentlicht wurden", sagte er. "Es wird nichts gefunden werden, weil es nichts gibt." Der angesichts der Ermittlungen freudig gestimmten Opposition riet Netanjahu bereits, "sich zu beruhigen und die Termine beim Schneider abzusagen." Kein Anlass also, sich neue Anzüge für neue Ämter anzuschaffen, soll das wohl heißen. Die frühere Ministerin Tzipi Livni von der Zionistischen Union allerdings verwandelte dies als Steilvorlage und twitterte in Richtung Netanjahu, "wenigstens bezahlen wir für unsere Anzüge selbst".

Die Gelassenheit des Regierungschefs dürfte aber angesichts der Ermittlungen nur gespielt sein. Netanjahu steht unter Druck wie selten in seiner Karriere, und auch ein Blick auf die jüngsten Umfragen müssten ihn in Sorge versetzen. Denn sein Likud, der bei der letzten Wahl noch mit 30 Sitzen stärkste Partei im Parlament wurde, ist auf 23 Mandate abgerutscht - und überholt worden von der Zukunftspartei des früheren Journalisten Yair Lapid. Der smarte und wendige Quereinsteiger gräbt Netanjahu im Zentrum gezielt die Wählerstimmen ab. Zu den Korruptionsermittlungen gegen den Regierungschef veröffentlichte er am Montag eine Stellungnahme, in der er auf eine schnelle Aufklärung des Falls drang. Nun müsse "die Polizei ihre Arbeit tun".

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SZ vom 03.01.2017/lalse
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