Süddeutsche Zeitung

Israel:Anklage gegen Ministerpräsident Netanjahu eingereicht

  • In Israel ist offiziell Anklage gegen Regierungschef Netanjahu erhoben worden.
  • Der Schritt ist möglich geworden, weil Netanjahu zuvor überraschend seinen Antrag auf Immunität vor Strafverfolgung zurückgezogen hatte.
  • Dem israelischen Ministerpräsidenten werden Korruption, Betrug, Untreue und Bestechlichkeit vorgeworfen. Er stellt sich am 2. März bei den Parlamentswahlen zur Wiederwahl.
  • US-Präsident Trump will an diesem Dienstag in Washington gemeinsam mit Netanjahu einen neuen, schon jetzt umstrittenen Friedensplan für Nahost vorstellen.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Der israelische Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit hat nun offiziell Anklage gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bei einem Jerusalemer Gericht eingereicht. Netanjahu ist wegen Korruption, Bestechlichkeit und Untreue angeklagt. Zuvor hatte überraschend Netanjahu seinen Antrag auf Immunität vor Strafverfolgung zurückgezogen und damit den Weg für den Beginn des Gerichtsverfahrens frei gemacht. Mandelblit hatte die Anklagen bereits Mitte November verkündet.

Netanjahu warf auf seiner Facebook-Seite seinen politischen Gegnern ein "schmutziges Spiel" vor und betonte, er werde alle Korruptionsvorwürfe widerlegen. Es wird damit gerechnet, dass der Prozess erst nach den Parlamentswahlen am 2. März startet. Netanjahu strebt trotz der Anklagen eine Wiederwahl als Ministerpräsident nach insgesamt 13 Jahren Amtszeit an.

Bei den Vorwürfen gegen Netanjahu geht es um den Verdacht der Beeinflussung von Medien, angeblich krumme Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten. Sollte er wegen Bestechlichkeit verurteilt werden, drohen Netanjahu bis zu zehn Jahre Haft. Im Falle einer Verurteilung wegen Betrugs und Untreue wäre die Höchststrafe drei Jahre Gefängnis.

Netanjahu, der sich zur Präsentation des Nahost-Friedensplans durch US-Präsident Donald Trump in Washington aufhält, kam mit dem Rückzug seines Immunitätsantrags Schritten in der Knesset zuvor. "Zu dieser schicksalhaften Stunde für das israelische Volk, während ich mich auf einer historischen Mission in den USA aufhalte, um die dauerhaften Grenzen Israels festzulegen und Israels Sicherheit in den kommenden Generationen zu gewährleisten, soll in der Knesset eine weitere Zirkusvorstellung beginnen, um mir die Immunität zu entziehen", schrieb Netanjahu.

Am Dienstagvormittag sollte im Parlament eine Sitzung zu Netanjahus Immunitätsantrag beginnen. Dabei war eine Abstimmung über die Einrichtung eines Knesset-Ausschusses geplant, der über die Immunität des 70-Jährigen entscheiden sollte. Es galt als sicher, dass der Immunitätsantrag abgelehnt werden würde.

Erste Anklage gegen amtierenden Regierungschef Israels

Netanjahu hatte gehofft, dass der Ausschuss gar nicht zustande kommt, weil das Parlament nach zwei Wahlen binnen eines Jahres nicht voll funktionsfähig ist. Die Anklagen hätten erst nach der Ausschuss-Entscheidung ans Gericht überstellt werden dürfen. Netanjahu wollte damit bewirken, dass die Anklage erst nach dem Wahltermin eingereicht wird. Er hatte gehofft, nach einem Wahlsieg in der Knesset eine Mehrheit für seine Straffreiheit zu gewinnen.

Netanjahus Herausforderer Benny Gantz vom blau-weißen Bündnis war nach einem Treffen mit Trump am Montag rasch wieder nach Israel zurückgeflogen, um an der Sitzung in der Knesset teilnehmen zu können. Nach Netanjahus Rückzieher sagte Gantz: "Netanjahu geht vor Gericht. Wir müssen vorankommen." Israels Bürger hätten nun die Wahl zwischen einem Regierungschef, der für sie arbeite, und einem Regierungschef, der mit sich selbst beschäftigt sei.

Es ist das erste Mal in der Geschichte Israels, dass ein amtierender Ministerpräsident vor einer Anklage steht. Netanjahu spricht von einem Putschversuch und kritisiert Israels Justiz aufs Schärfste.

In Israel regiert seit rund einem Jahr ein Übergangskabinett mit Netanjahu an der Spitze. Weder Netanjahu noch Gantz, der mit seinem Bündnis die Wahl im September gewonnen hatte, gelang eine Regierungsbildung.

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