Israel:Netanjahus Anwälte versuchen, die Korruptionsvorwürfe zu entkräften

Israel: Benjamin Netanjahu 2019 in Jerusalem

Benjamin Netanjahu, Premierminister von Israel

(Foto: Ilia Yefimovich/dpa)
  • Israels Generalstaatsanwalt hat angekündigt, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue anklagen zu wollen.
  • In einer Anhörung kann Netanjahu, der sich von seinen Anwälten vertreten lässt, noch einmal versuchen, die Anklagen abzuwenden.
  • Die Bildung einer neuen Regierung verläuft weiterhin schleppend.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Einige Dutzend Demonstranten hatten sich am Mittwochmorgen vor dem Justizministerium in Jerusalem eingefunden, als die Anwälte von Premierminister Benjamin Netanjahu eintrafen. Sie hielten Schilder hoch, auf einem Transparent stand: "Die Wahrheit und das Gesetz werden sich durchsetzen." Oder: "Wir sind gekommen, um euch im Kampf gegen Korruption zu unterstützen." Damit waren die Staatsanwälte und Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit gemeint, der vor seiner Abreise nach Jerusalem vor seinem Wohnhaus auf eine kleine Demonstration von Netanjahu-Unterstützern getroffen war.

Der Generalstaatsanwalt hat angekündigt, Netanjahu wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue anklagen zu wollen. In einer Anhörung kann Netanjahu, der sich von seinen Anwälten vertreten lässt, noch einmal versuchen, die Anklagen abzuwenden. In einigen Wochen, spätestens im Dezember, wird dann der Generalstaatsanwalt seine endgültige Entscheidung über die Anklagen in drei Fällen verkünden.

In einer kurzen Erklärung zeigte sich Netanjahus Anwalt Ram Caspi zuversichtlich, dass man in der auf vier Tage anberaumten Anhörung die Korruptionsvorwürfe gegen den Premierminister entkräften könne. Es gebe "solide Gründe", dass es zu keinem Prozess kommen werde. "Ich habe komplettes Vertrauen in das Rechtssystem und dessen Umsetzung. Ich habe keinen Zweifel, dass der Generalstaatsanwalt seine Entscheidungen in einer professionellen und angemessenen Art formulieren wird", sagte Caspi.

Er wies Spekulationen zurück, dass sich Netanjahu auf einen Deal einlassen könnte: ein Schuldbekenntnis oder ein Gnadengesuch. Netanjahu hatte bisher alle Vorwürfe bestritten und von einer "Hexenjagd" durch Justiz und Medien gesprochen. Er sah bisher auch keinen Grund zurückzutreten. Ein anderer Anwalt Netanjahus, Amit Hadad, erklärte, das Verteidigungsteam werde neue Erkenntnisse präsentieren. "Wir sind uns sicher, dass danach gar keine andere Wahl bleibt als jene, die Fälle ad acta zu legen."

Insgesamt zwölf Anwälte Netanjahus treffen bei dieser Anhörung auf zwanzig Staatsanwälte und den Generalstaatsanwalt. Am Mittwoch und Donnerstag geht es um den sogenannten Fall 4000, der als der brisanteste gilt, weil es Tonbandaufnahmen gibt und sich ehemalige Mitarbeiter von Benjamin Netanjahu der Anklage als Kronzeugen zur Verfügung gestellt haben. Netanjahu wird in diesem Fall Bestechlichkeit, Betrug und Untreue vorgeworfen.

Bildung einer neuen Regierung kommt nicht voran

Es geht um den Verdacht, dass Netanjahu als Kommunikationsminister dem Telekom-Unternehmen Bezeq rechtliche Begünstigungen gewährt habe. Davon soll der Eigentümer Schaul Elovitch im Ausmaß von etwa 500 Millionen US-Dollar profitiert haben. Im Gegenzug soll Netanjahu verlangt haben, dass ein zum Konzern gehörendes Medium positiv über ihn berichtet.

Ab Sonntag soll es dann um den Fall 1000 gehen, Netanjahu wird Betrug und Untreue vorgeworfen. Er und seine Familie sollen von 2007 bis 2016 von zwei Geschäftsmännern Zigarren, Champagner und Schmuck im Wert von umgerechnet etwa 230 000 Euro angenommen haben. Im Gegenzug soll Netanjahu sich unter anderem für ein Gesetz starkgemacht haben, das dem aus Israel stammenden Hollywood-Produzenten Arnon Milchan Steuervergünstigungen in Millionenhöhe verschaffen soll. Netanjahu soll ihm auch geholfen haben, ein neues US-Visum zu erhalten.

Im Fall 2000, der vermutlich kommenden Montag erörtert wird, geht es um eine Absprache Netanjahus mit dem Medienmogul Arnon Mozes über eine positivere Berichterstattung in der regierungskritischen Zeitung Jedi'ot Acharonot. Im Gegenzug soll Netanjahu Hilfe in Aussicht gestellt haben, den Einfluss der auflagenstarken Gratiszeitung Israel HaYom zu schwächen.

Netanjahu hatte verlangt, dass die Anhörung live im Fernsehen übertragen wird, was abgelehnt wurde. Dann wäre er vermutlich selbst erschienen. So traf er sich am Mittwoch mit Vertretern seiner bisherigen Regierung, um das weitere Vorgehen angesichts der stockenden Koalitionsverhandlungen zu beraten. Präsident Reuven Rivlin hatte Netanjahu in der Vorwoche den Regierungsbildungauftrag übertragen. Nach der Parlamentswahl am 17. September hat weder Netanjahus rechter Block noch das Mitte-links-Lager eine Mehrheit. Netanjahus rechtsnationale Likud-Partei hatte zwar einen Sitz weniger als das zentristische blau-weiße Bündnis errungen, aber mehr Empfehlungen von Abgeordneten für das Premierministeramt erhalten.

Ein für Mittwochabend geplantes Treffen hat der Spitzenkandidat von Blau-Weiß, Benny Gantz, am Tag davor abgesagt, weil er zwei Vorbedingungen nicht erfüllt sah. Gantz hatte sich in der Vorwoche zwar mit Netanjahu getroffen und Gespräche über eine große Koalition geführt. Nach deren Scheitern hat Gantz aber auf seine Aussagen im Wahlkampf verwiesen, er würde nicht mit jemanden in einer Regierung sitzen, "der sich einer schwerwiegenden Anklage stellen muss". Außerdem will Netanjahu nicht nur für den Likud, sondern für den gesamten rechten Block verhandeln. Damit wären die Koalitionspartner von Blau-Weiß nicht nur der Likud, sondern auch die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum sowie die Neue Rechte, die die Interessen der Siedler vertritt.

Netanjahu hat bis zum 23. Oktober Zeit, eine Regierung zu bilden. Es kann aber sein, dass er den Auftrag schon früher zurückgibt und dann Gantz zum Zug kommt. Er hätte ebenfalls 28 Tage Zeit, um eine Regierung zustande zu bringen. Die Vertreter von Blau-Weiß hoffen, dass im Likud der Druck steigt, einer Koalition zuzustimmen. Ansonsten drohen die dritten Wahlen binnen eines Jahres.

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