Süddeutsche Zeitung

Israel:Warme Worte in der Wüste

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Vier arabische Staaten treffen sich mit Israel und den USA zum Negev-Gipfel - und beschwören die Idee von einem neuen Nahen Osten. Auf einen gemeinsamen Gegner können sie sich schnell einigen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Fast hat es ausgesehen wie eine gymnastische Übung: Sechs zumeist ältere Herren in einer Reihe, die sich mit verschränkten Armen an den Händen fassen. Doch diese Formation, die am Montag von sechs leibhaftigen Außenministern auf einem Podium in der israelischen Negev-Wüste gebildet wurde, war als politische Botschaft gedacht. Händeschütteln und Schulterschluss sollen die neue Allianz belegen, zu der sich Israel und die USA mit den vier arabischen Staaten Ägypten, Marokko, Bahrain sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammengeschlossen haben. Und gegen wen sich diese Allianz richtet, erklärte sogleich der israelische Außenminister Jair Lapid: "Wir machen unseren gemeinsamen Feinden Angst und schrecken sie ab - vor allem Iran und seine Verbündeten."

Lapid hatte dieses zweitägige Treffen in aller Eile organisiert. Im Kibbuz Sde Boker fand er dafür nicht nur die passende Unterkunft im luxuriösen Kedma Hotel. Dort unten tief im Negev liegt auch das zum Museum umgestaltete Wohnhaus des Staatsgründers David Ben-Gurion sowie dessen Grabstätte. So war es also eine Reise mitten hinein ins Zentrum des zionistischen Geistes, die von den arabischen Partnern angetreten wurde.

In Israel hat dieser "Negev-Gipfel", der rasch als "historisch" gewürdigt wird, die allergrößte Zufriedenheit ausgelöst. Premierminister Naftali Bennett sprach von einem "Festtag" und gelobte: "Wir pflegen alte Beziehungen und bauen neue Brücken." Im israelischen Außenministerium benutzte man den Terminus "Camp David Format" - für ein informelles Treffen nach Art der Zusammenkünfte auf dem Landsitz der amerikanischen Präsidenten. In früheren Zeiten waren dort auch immer wieder israelische Premiers mit arabischen Anführern zusammengebracht worden. Auffällig ist nun, wie sich die Gewichte verschoben haben: US-Außenminister Antony Blinken ist beim Treffen mit den arabischen Amtskollegen ein Gast der Israelis gewesen.

Für viele Teilnehmer war Israel bisher Terra incognita

Keine Vereinbarungen oder Verträge wurden als Ziel des Negev-Gipfels ausgegeben. Im Mittelpunkt stand das Atmosphärische, das Kennenlernen. Denn mit Ausnahme des Ägypters Sameh Shoukry war für die arabischen Minister, deren Länder erst mit den Abraham-Abkommen von 2020 diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen haben, der jüdische Staat bislang Terra incognita.

Erster Programmpunkt am Sonntagabend war deshalb ein Dinner im kleinsten Kreis. Mitten hinein platzten dann die Meldungen über einen Terroranschlag in der nordisraelischen Stadt Hadera. Zwei mutmaßliche IS-Anhänger hatten dort zwei Grenzpolizisten erschossen und mehrere weitere Menschen verletzt, bevor sie selbst getötet wurden. Da traf der alte Nahe Osten mit Wucht auf den gerade beschworenen Neuen Nahen Osten. Einhellig und scharf wurde der Angriff von allen anwesenden Ministern verurteilt.

Gesprächsbedarf gab es in Sde Boker aber zuvörderst wegen einer anderen Gefahr: jener, die von Iran ausgeht. Eine Neuauflage des Atomabkommens scheint in greifbarer Nähe zu sein, doch in dieser Frage klafft ein tiefer Graben zwischen den auf einen Abschluss hoffenden USA auf der einen und Israel mitsamt den Golf-Staaten auf der anderen Seite. Vor dem Negev-Treffen war Blinken noch von Bennett eindringlich vor Konzessionen gegenüber dem Teheraner Regime gewarnt worden. "Ich hoffe, die USA hören die besorgten Stimmen in der Region", sagte Israels Premier.

Ob es Annäherungen gab in diesem Streitpunkt, blieb offen. Als Kernbegriff wurde nach dem Treffen jedoch von einer neuen "regionalen Sicherheitsarchitektur" gesprochen. Von einer Art nahöstlicher Nato ist die Region dabei gewiss noch weit entfernt. Aber in der gemeinsamen Gegnerschaft zu Iran bieten sich viele Felder der Zusammenarbeit an vom Austausch von Geheimdienstinformationen bis hin zu Waffengeschäften.

Die Stimmung war jedenfalls bestens, als die sechs Minister zum Abschluss ihrer Gespräche am Montag gemeinsam vor die Presse traten. Fragen waren nicht erlaubt, aber in den Erklärungen jedes Einzelnen war viel von Freundschaft und von Frieden die Rede. Eher pflichtschuldig wurden dabei auch die Palästinenser erwähnt, die keine Einladung nach Sde Boker bekommen hatten - und von Ramallah aus das Treffen als "große Illusion" verdammten.

Der Gastgeber Lapid verkündete, dass sich alle Teilnehmer darauf geeinigt hätten, "den Negev-Gipfel zu einem dauerhaften Forum zu machen". Marokkos Außenminister Nasser Bourita begrüßte das, regte aber einen Ortswechsel an. "Ich hoffe, dass wir uns bald in einer anderen Wüste treffen", sagt er, "aber mit demselben Geist."

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