Süddeutsche Zeitung

Gaza-Konflikt:Israelischer Verteidigungsminister tritt zurück

  • Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman tritt von seinem Amt zurück. Er kündigt zudem an, seine Partei werde die Regierungskoalition verlassen.
  • Lieberman kritisiert den Waffenstillstand im Gaza-Konflikt. Das sei eine "Kapitulation vor dem Terror".
  • Der Schritt des Verteidigungsministers setzt Premierminister Netanjahu unter Druck: Die Regierungskoalition hat weiter eine knappe Mehrheit.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hat in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz seinen Rücktritt verkündet. Er verband seine Erklärung mit einer heftigen Attacke gegen Premierminister Benjamin Netanjahu. "Es ist kein Geheimnis, dass es Differenzen zwischen dem Premierminister und mir gibt." Das Nachgeben gegenüber der radikalislamischen Hamas bezeichnete er als "Kapitulation vor dem Terror". Mit einem Waffenstillstand habe man sich nur Zeit gekauft und keine langfristige Lösung für mehr Sicherheit erreicht. "Wir brauchen eine klare Politik als Antwort auf den Terror." Lieberman kündigte zudem an, seine zionistische Partei "Jisrael Beitenu" (Unser Haus Israel) verlasse die Regierungskoalition.

Schon vor der jüngsten Eskalation, als von Montag bis Dienstagnachmittag rund 470 Raketen und Mörsergranaten auf Israel abgefeuert wurden, hatte Lieberman einen Militärschlag im Gazastreifen gefordert. Lieberman, Bildungsminister Naftali Bennett, Justizministerin Ajelet Schaked und Umweltschutzminister Zeev Elkin hatten am Dienstag in der Sitzung des Sicherheitskabinetts eine vom Premierminister abweichende Position vertreten, weshalb es zu keiner Abstimmung kam. Nach siebenstündigen Beratungen wurde lediglich eine Erklärung herausgegeben: Es werde, wenn notwendig, weitere Angriffe geben.

Lieberman kritisierte auch harsch, dass Netanjahu am Freitag 15 Millionen US-Dollar durch die israelische Blockade in den Gazastreifen passieren ließ. Das Emirat Katar hatte das Bargeld, das in drei Koffern transportiert wurde, für die Bezahlung von Verwaltungsangestellten zur Verfügung gestellt. "Wir stehen für Prinzipien", sagte Lieberman. Er habe sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren bemüht, seine Position durchzusetzen. Nun sei es Zeit für Neuwahlen. "Wir sollten uns so schnell wie möglich auf einen Wahltermin einigen."

Liebermans Partei trat 2016 in die Koalition ein. Er selbst hielt bislang den einzigen Ministerposten. Von den sieben Abgeordnetensitzen in der Knesset wird künftig Lieberman einen besetzen und sich auf die Wahlen vorbereiten. Er sei bereit, in der nächsten Regierung wieder vertreten zu sein, verkündete der als Hardliner bekannte Lieberman in der Pressekonferenz.

Der Schritt des Verteidigungsministers setzt Premierminister Netanjahu unter Druck. Zwar hat die bisher aus sechs Parteien bestehende rechtsgerichtete Koalition auch ohne die Lieberman-Partei noch eine knappe Mehrheit von einer Stimme im Parlament. Aber spätestens bis November 2019 müssen ohnehin Wahlen angesetzt werden. Auch Netanjahu käme ein früher Wahltermin durchaus gelegen, denn noch steht die Entscheidung aus, ob er in zwei Korruptionsfällen tatsächlich angeklagt wird. Vergangenen Februar hatte die Polizei nach Abschluss der Ermittlungen eine Anklage empfohlen.

Netanjahu: "Unsere Gegner haben um eine Waffenruhe gebettelt"

Noch vor der Lieberman-Erklärung hatte Netanjahu die Entscheidung, einen Waffenstillstand einzugehen, verteidigt. "Unsere Gegner haben um eine Waffenruhe gebettelt und sie wissen ganz genau warum", sagte Netanjahu bei einer Zeremonie am Grab von Staatsgründer David Ben-Gurion, das mitten in der Negev-Wüste liegt. Nach Beginn der Waffenruhe meldete das Gesundheitsministerium in Gaza, dass israelische Marinesoldaten einen Fischer beschossen und tödlich verletzt hätten. Ein Sprecher der israelischen Armee sagte, man prüfe die Angaben.

Lieberman und Netanjahu hatten vor der Pressekonferenz keinen Kontakt mehr. Nach den geltenden Regeln kann Netanjahu die Position des Verteidigungsministers selbst übernehmen, er amtiert bereits als Außenminister. Hoffnungen auf einen Jobwechsel macht sich auch Bildungsminister Bennet von der den Siedlern nahestehenden Partei "Jüdisches Heim" (HaBajit haJehudi). Kurz nach der Ankündigung von Lieberman drohte er mit Rücktritt und Rückzug seiner Partei, sollte er nicht Verteidigungsminister werden. Bennets Partei hat acht Stimmen in der Knesset, damit würde die Koalition über keine Mehrheit mehr verfügen.

Die Oppositionspolitiker Avi Gabbay von der Arbeitspartei Awoda und Yair Lapid von der liberalen Partei Yesh Atid forderten ebenfalls Neuwahlen und kritisierten Netanjahus Entscheidung für einen Waffenstillstand. Die im Gazastreifen regierende Hamas bezeichnete Liebermans Rücktritt als "Anerkennung von Israels Niederlage" und "Sieg für Gaza".

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