Süddeutsche Zeitung

Israel:Nach der Schlammschlacht

Netanjahus Wahlerfolg verstärkt den Niedergang der politischen Kultur des Landes.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Für Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat es sich gelohnt, dass er auf einen dritten Wahlgang binnen eines Jahres gesetzt hat. Er hat einen intensiven Wahlkampf geführt und gewonnen. Die Wähler des rechtsnationalen Likud verhalfen bei dieser Parlamentswahl einem Politiker zu einem überraschend deutlichen Wahlsieg, der in zwei Wochen wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue vor Gericht stehen soll. Sie gaben ihm ihre Stimme im Wissen um die Korruptionsvorwürfe, die inzwischen zu Anklagen in drei Fällen geführt haben.

Netanjahu ist der am längsten amtierende Ministerpräsident des Landes und auch der erste, der als Angeklagter vor Gericht stehen wird. Aber in unsicheren Zeiten sehnen sich viele Israelis nach Stabilität und einer starken Führung, das wiegt die Korruptionsvorwürfe offenbar auf. Seit mehr als zwölf Jahren ist Netanjahu im Amt, viele können sich ein Land ohne ihn gar nicht mehr vorstellen.

Die Anklagen zeichnen das Bild eines ausschweifenden Lebensstils, den die Netanjahus pflegen. Sie zeigen, dass der Regierungschef politische Gefälligkeiten im Gegenzug für teure Geschenke und positive Medienberichterstattung erweist. Alles geschenkt! Schließlich hatte Netanjahu auch für jede noch so kleine Gruppe ein Wahlversprechen parat. Den Nationalisten versprach er die Annexion von Teilen des Westjordanlands, den äthiopischen Juden mehr Einwanderungsmöglichkeiten für ihre Glaubensgenossen, und sogar für die arabischen Israelis hatte er ein Lockangebot: Flüge nach Mekka.

Der gewiefte und erfahrene Politiker hat alle Register gezogen und die Möglichkeiten der sozialen Medien für sich zu nutzen verstanden. Netanjahu war mit seinem Likud auch hauptverantwortlich für einen Wahlkampf, der in der Schlussphase zur Schlammschlacht geriet. Ein Berater hatte kürzlich ausgeplaudert, dass sich Hass-Kampagnen für den Likud bestens zur Mobilisierung eignen - wie sich nun auch am Wahlergebnis zeigt. Nach dem Motto, dass schon irgendetwas hängen bleiben wird, hat die Likud-Partei eine Kampagne gegen Herausforderer Benny Gantz betrieben, in der es um Sex, Lügen und heimlich aufgenommene Tonbandaufnahmen ging. Auch seine mentale Verfassung wurde infrage gestellt.

Das hat Verunsicherung ausgelöst, bei den Wählern und bei Gantz selbst. Im dritten Wahlkampf wirkte er bei seinen Auftritten häufig nicht souverän. Der frühere Generalstabschef der Armee geriet in die Defensive, er reagierte statt zu agieren. Vielen Wählern reichte es nicht, dass sich Gantz vor allem als personelle Alternative zu Netanjahu präsentierte und nur selten deutlich machte, wofür er stand. In einem Fall positionierte sich Gantz jedoch eindeutig: Auch er will Donald Trumps Nahostplan umsetzen. Wie nun immer die nächste Koalition in Israel aussieht - es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Israel das Jordantal und Gebiete, auf denen die 120 Siedlungen im Westjordanland stehen, annektieren wird.

Benjamin Netanjahu wird seinen Kampf auch nach der Wahl weiterführen. Er wird versuchen, Abgeordnete auf seine Seite zu ziehen und ist bereit, dafür jeden Preis zu zahlen. Es geht ihm nicht nur um die Regierungsmehrheit, sondern nicht zuletzt auch darum, sich Immunität zu verschaffen. Die Folge von Netanjahus Wahltriumph ist ein weiterer Niedergang der politischen Kultur in Israel.

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SZ vom 04.03.2020
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