Israel:Lieber unbedeutend als gebunden

Der Vorsitzende von Israels Arbeitspartei löst überraschend das Wahlbündnis mit Oppositionsführerin Tzipi Livni - die Linke dürfte damit noch weniger Chancen haben, Netanjahu zu schlagen.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Es war ein bemerkenswerter Auftritt: Der Chef der Arbeitspartei, Avi Gabbay, kündigte am Dienstag bei einer Fraktionssitzung von einem Rednerpult aus die Partnerschaft mit der Mitte-links-Partei Die Bewegung auf. Deren Vorsitzende Tzipi Livni hörte neben ihm sitzend sichtlich überrascht seine Erklärung an. Gabbay begründete seine Entscheidung damit, er habe den Wunsch seines Vorgängers Isaac Herzog akzeptiert, das Bündnis beibehalten und Livni als Oppositionsführerin im Parlament zu ernennen. Dafür habe er heftige innerparteiliche Kritik einstecken müssen. "Aber eine erfolgreiche Partnerschaft erfordert Freundschaft, die Einhaltung von Abkommen und Loyalität. Das war nicht der Fall in dieser Partnerschaft."

Nach der Erklärung verließ Gabbay den Raum durch eine Tür auf der rechten Seite. Livni erhob sich zögernd, ging zum Rednerpult und sagte, sie wolle keinen Kommentar abgeben. Dann verließ sie das Zimmer durch eine Tür auf der linken Seite. Später sagte Livni zu Journalisten, sie habe keine Vorwarnung erhalten. Von Gabbay habe sie vor allem eines gehört: "Ich, ich, ich."

Damit ist die Zionistische Union Geschichte, die vor der Wahl 2015 geschmiedet worden war, um die Kräfte auf der linken Seite zu bündeln. Das Bündnis eroberte gemeinsam 24 der 120 Parlamentssitze und damit deutlich mehr, als die Parteien bei ihrem getrennten Antreten 2013 erreicht hatten. Die Arbeitspartei hatte damals 15 und die Bewegung sechs Sitze in der Knesset gewonnen.

In den vergangenen vier Jahren war die Zionistische Union der zweitstärkste Block hinter Benjamin Netanjahus Likud-Partei, die 30 Sitze errungen hatte. Der rechtsnationale Likud hat laut Umfragen gute Chancen, bei den nächsten Wahlen am 9. April ähnlich gut abzuschneiden. Die Zionistischen Union kann derzeit nur mit neun Sitzen rechnen.

Aus Gabbays Umfeld verlautete, mit der Trennung von Livni will den Weg für ein Bündnis mit dem populären Ex-Armeechef Benny Gantz frei machen, dessen neu gegründete Partei Widerstandskraft für Israel aus dem Stand auf Platz zwei in Umfragen landete.

Gabbay, der im Sommer 2017 zum Chef der Arbeitspartei gewählt worden war und keinen Parlamentssitz inne hat, macht Livni für den Niedergang des Bündnisses verantwortlich. Livni wurde vergangenen Juli Oppositionsführerin, als der frühere Arbeitsparteichef Herzog die Knesset verließ, um die Jewish Agency zu leiten.

Mit seinem Alleingang überrumpelte Gabbay auch Abgeordnete seiner Partei, die seine Entscheidung kritisierten. Im Gespräch mit ihnen begründete Gabbay seinen Schritt: Er sei von Livni "scheiße" behandelt worden und habe nicht einmal ein Danke dafür gehört, dass sie zur Oppositionsführerin ernannt worden sei. Mit der Auflösung der Zionistischen Union ist das linke Lager geschwächt. Weiter links stehen die Meretz-Partei sowie die Gemeinsame Liste der arabischen Israelis. Die Arbeitspartei schaffte es weder mit dem farblosen Herzog noch mit dem Millionär Gabbay an der Spitze, sich zu profilieren. Gabbay versuchte dies, indem er rechte Positionen in der Sicherheitspolitik übernahm. Die Arbeitspartei Awoda ist die Nachfolgepartei der Mapai, der Staatsgründer David Ben Gurion angehörte. Diese Partei prägte lange die Politik in Israel und stellte mit Golda Meir, Jitzhak Rabin, Schimon Peres und Ehud Barak Ministerpräsidenten.

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