Israel und Libanon:Deutschland bereitet eine mögliche Evakuierung vor

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Flughafenmitarbeiter und Passagiere auf dem Flughafen Beirut. Viele Airlines fliegen die Region nicht mehr an. (Foto: Mohamed Azakir/REUTERS)

Sollte es in Nahost zu einer Ausweitung des Krieges kommen, müssen mindestens 2500 Bundesbürger aus Libanon in Sicherheit gebracht werden. Reguläre Flugzeuge fliegen kaum noch.

Von Tomas Avenarius, Georg Ismar, Sina-Maria Schweikle, Tel Aviv/Berlin

Vor dem angedrohten Vergeltungsschlag der Islamischen Republik Iran und der Hisbollah gegen Israel werden in israelischen Medien Stimmen laut, die einen Präventivschlag fordern. Vonseiten des Militärs wird zudem von notwendigen raschen und harten Gegenattacken im Angriffsfall gesprochen. Zahlreiche Staaten haben ihre Bürger in dieser unübersichtlichen Lage aufgefordert, sowohl Libanon als auch Iran sowie Israel umgehend zu verlassen. Berlin bereitet einen möglichen Evakuierungseinsatz vor. An der libanesisch-israelischen Grenze kam es am Dienstag erneut zu gegenseitigen Attacken aus der Luft.

Klar ist: Die libanesische Terrororganisation Hisbollah will ebenso wie die Islamische Republik Iran Vergeltung üben für die gezielte Tötung zweier Führer in der vergangenen Woche. Hamas-Auslandschef Ismail Hanija war in Teheran mit einer Bombe in einem Gästehaus der Regierung getötet worden. Auch wenn Israel sich nicht bekannt hat, bestehen wenig Zweifel daran, wer Verantwortung trägt. Wenige Stunden zuvor hatte Israel den Hisbollah-Raketenkommandeur Fuad Shukr in Beirut mit einer Rakete umgebracht.

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah erklärte am Dienstagabend in einer Ansprache, die Vergeltung werde „stark und effektiv“ ausfallen. Details nannte er nicht. Kurz vor der Rede durchbrachen israelische Kampfflugzeuge im Tiefflug über Beirut dreimal die Schallmauer. Die Hamas teilte wenig später mit, dass Jahia Sinwar, der bisherige Anführer von Hamas im Gazastreifen, Hanija als Chef der Terrorgruppe nachfolgen werde. Sinwar gilt als Drahtzieher des Angriffs vom 7. Oktober auf Israel.

Die Angriffe seien „noch in der Planungsphase“

Die USA verlegen zwar Kriegsschiffe und Flugzeuge in die Region, haben Israel aber aufgefordert, mit Zurückhaltung auf einen solchen Angriff zu reagieren und so den Ausbruch eines Regionalkriegs zu verhindern. Russland wiederum, Verbündeter und Waffenlieferant Irans, soll Teheran nahegelegt haben, bei einem Angriff zivile israelische Opfer zu vermeiden. Diese Botschaft soll der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates und ehemalige Verteidigungsminister Sergej Schojgu bei einem Besuch in Teheran überbracht haben. Im Zuge des Schojgu-Besuchs wurde bekannt, dass Moskau moderne Kampfflugzeuge sowie Luftabwehr- und Radarsysteme an Teheran liefern will.

Völlige Unklarheit bestand aber weiter über den Zeitpunkt des seit Tagen erwarteten Angriffs auf Israel. US-Geheimdienste gehen laut der Jerusalem Post von einem Angriff aus Iran und einem weiteren von der Hisbollah aus Libanon aus. Ein hochrangiger US-Regierungsmitarbeiter habe aber gesagt, diese Angriffe seien „noch in der Planungsphase“.

Zudem wird mit Attacken der zahlreichen mit Iran verbündeten Milizen in den arabischen Staaten gerechnet. Die Huthi in Jemen haben schon früher Drohnen und weitreichende Raketen auf Israel abgefeuert und bedrohen zudem die zivile und militärische Schifffahrt im Roten Meer. Proiranische Milizen im Irak könnten dortige US-Militäreinrichtungen wie die Ain-al-Assad-Basis beschießen.

Transportmaschinen könnten Deutsche über Zypern ausfliegen

Gleichzeitig laufen die Bemühungen, ausländische Staatsangehörige aus der Region in Sicherheit zu bringen. Da nach wie vor rund 2500 Bundesbürger in Libanon sein sollen, aber kaum noch Fluglinien den Beiruter Flughafen anfliegen, bereitet die Bundesregierung inzwischen Massenevakuierungen vor.

Die Bundesregierung arbeitet seit Tagen an Plänen, Bundesbürger per Flugzeug oder Schiff über die Libanon vorgelagerte Mittelmeerinsel Zypern in Sicherheit zu bringen. Grundsätzlich gibt es zwei Vorgehensweisen: Bei einer diplomatischen Evakuierungsmission hätte das Auswärtige Amt (AA) die Federführung. Bei einer militärischen Mission, also einem von Soldaten geschützten Einsatz, ist das Verteidigungsressort zuständig. Die Bundeswehr hat bereits Vorbereitungen getroffen: So könnten A400M-Transportmaschinen die Deutschen über Zypern ausfliegen.

Kämen bewaffnete Kräfte bei der Evakuierung zum Einsatz, müsste dies aber vom Bundestag genehmigt werden. Ist Gefahr im Verzug, kann der Beschluss allerdings auch nachgeholt werden. Schon 2006 gab es wegen eines Libanonkriegs eine schwierige Evakuierungsoperation. Weil der Flughafen Beirut nach Bombardements nicht genutzt werden konnte, erfolgte sie auf dem Seeweg. Zudem flohen viele Menschen über Syrien: Das wäre heute wegen der politischen Lage im Land aber schwierig. Libanon grenzt an Syrien und Israel; eine Evakuierung über Land wäre diesmal die schwierigste Option.

Viele Deutschlibanesen machen in der früheren Heimat Urlaub

Einfacher wäre es, Deutsche mit Fähren nach Zypern zu bringen und von dort auszufliegen. Sollten der Hafen Beirut oder andere libanesische Häfen nicht nutzbar sein, könnten die Menschen mit Hilfe von Botschaftsmitarbeitern oder Bundeswehrsoldaten zu Sammelpunkten kommen und mit Booten zu vor der Küste ankernden Schiffen gebracht werden. In der Regel kommen bei solchen Operationen Fallschirmjäger, Feldjäger und Sanitäter zum Einsatz.

Die Zahl der Bundesbürger in Libanon ist im Sommer besonders hoch, da viele Deutschlibanesen Urlaub in der früheren Heimat machen. Die Zahl der deutschen Staatsangehörigen in Libanon, die sich in die Berliner Krisenvorsorgeliste „ELEFAND“ (das steht für: Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland) eingetragen haben, stieg von 1300 auf rund 2500. Allerdings geht man davon aus, dass eine Reihe an Personen schon ausgereist ist und sich zugleich viele bisher nicht Registrierte eingetragen haben.

„Viele der damaligen Ausreiserouten sind heute nicht mehr oder nur noch eingeschränkt nutzbar“, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Eine Evakuierungsoperation sei keine Pauschalreise und trotz aller Sicherheitsmaßnahmen mit Gefahren und Unsicherheiten verbunden. Niemand solle sich daher darauf verlassen, dass eine Evakuierung aus Libanon problemlos möglich sein werde. Vielmehr sollten die jetzt noch vorhandenen Ausreisemöglichkeiten dringend genutzt werden. 

Seit Längerem besteht für Libanon eine Reisewarnung und eine dringende Ausreiseaufforderung. Außenministerin Annalena Baerbock hatte immer wieder appelliert, das Land zu verlassen. Es gab Ausreiseaufrufe über die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes, auf X und Instagram und sogar per persönlichem Telefonanruf.

Am Dienstag tagte erneut der Krisenstab der Bundesregierung im AA. Man sei immer auf Krisensituationen vorbereitet und müsse „im Ernstfall innerhalb von 72 Stunden bereit sein, das Auswärtige Amt zu unterstützen“, sagte eine Sprecherin des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr der SZ. Den Kern des Einsatzverbandes bei militärischen Evakuierungsmissionen bildet die Luftlandebrigade 1 der Division Schnelle Kräfte.

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