Es gibt viel zu tun für Israels neue Regierung, die 36. seit der Staatsgründung vor 73 Jahren. Gleich am Montagmorgen versammelte sich die von Premier Naftali Bennett angeführte Ministerriege in der Residenz des Präsidenten Reuven Rivlin. Zu absolvieren war das traditionelle Gruppenfoto. Nach der Vereidigung am Abend zuvor in der Knesset ist das eine Art zeremonieller Höhepunkt gewesen. Danach ging es für alle schleunigst ans Arbeiten und ans Regieren - und das wird keine leichte Aufgabe sein.
Denn eine solche Koalition hat das Land noch nicht gesehen: Nicht rechts, nicht links, nicht mittig, sondern all das zusammen plus der erstmaligen Beteiligung einer arabischen Partei. Im Parlament kommt dieses bunte Bündnis auf exakt 61 von 120 Stimmen, theoretisch zumindest. In der Praxis ist einer gleich schon ausgeschert bei der Vertrauensabstimmung und hat sich enthalten, sodass das Votum mit 60 zu 59 Stimmen denkbar knapp ausfiel. Das war ein Vorgeschmack darauf, wie schwierig jede einzelne Entscheidung für diese Regierung wird und wie gefährdet die Koalition vom ersten Tag an ist.
Zusammenhalten müssen diese Koalition nun zwei Männer, die sich im Laufe der Legislaturperiode im Amt des Premierministers abwechseln wollen: Naftali Bennett von der rechten Jamina-Partei und Jair Lapid von der liberalen Zukunftspartei. Die beiden kennen und schätzen sich trotz weltanschaulicher Unterschiede, seitdem sie von 2013 bis Ende 2014 gemeinsam an Netanjahus Kabinettstisch gesessen hatten. "Freundschaft und Vertrauen", so sagt es Lapid, sollen nun das Fundament der Regierung bilden.
Im Rampenlicht wird zunächst der 49-jährige Bennett stehen, der das Kunststück vollbrachte, als Chef einer Fraktion mit nur sechs Mitgliedern an die Spitze der Regierung zu rücken. Politisch liegen seine Wurzeln in der Siedlerbewegung. Als erster israelischer Premier trägt er zum Ausweis seines orthodoxen jüdischen Glaubens die Kippa. Als nationalreligiös wird er bezeichnet. Zugleich pflegt er gern das Image des Managers. In der Hightech-Branche hatte er es in jungen Jahren schon zum Multi-Millionär gebracht, nun will er sein Land auf Vordermann bringen. Dazu predigt er den Pragmatismus und fordert von allen Partnern im Regierungsbündnis "ideologische Zurückhaltung".
Netanjahu hat seinen Nachfolger als "Verräter" geschmäht
Was auf ihn zukommt, weiß Bennett genau: Seinen vier Kindern, so sagte er in einem Fernsehinterview, habe er erklärt, dass er nun zum "meistgehassten Mann in Israel" werde. Seinen Anteil daran hat gewiss der abgelöste Premier Benjamin Netanjahu, der sich als schlechter Verlierer gezeigt und Bennett als "Verräter" am rechten Gedankengut geschmäht hat. Am Montagmittag trafen sich die beiden zu einem schmucklosen Arbeitstreffen. Netanjahu legte Wert darauf, dieser Amtsübergabe alles Feierliche zu nehmen. Er will nun als Oppositionsführer die neue Regierung unter Druck halten und baldmöglichst stürzen.
In Sachen Stabilität wird deshalb viel vom 57-jährigen Lapid abhängen. Bevor er, wenn alles gut geht, in zwei Jahren auf den Premiersitz wechselt, soll er als Außenminister das neue Israel repräsentieren. Genauso gefordert dürfte er jedoch im Innern sein, weil seine Fraktion mit 17 Sitzen die stärkste Kraft und der Fixpunkt im Regierungsbündnis ist.
Der frühere Fernseh-Journalist mit kurvenreichem Lebenslauf - auch als Schauspieler, Songwriter und Romanautor hat er sich schon, meist mit Erfolg, versucht - konnte sich im Laufe der komplizierten Koalitionsverhandlungen als reifer Moderator beweisen. Punkte hat er zudem dadurch gesammelt, dass er sein Ego zurückgestellt und Bennett den Vortritt als Regierungschef gelassen hat. Lapid entstammt ursprünglich dem linken Tel Aviver Milieu, hat sich aber nun im politischen Zentrum festgesetzt. Im Falle eines Scheiterns der Regierung und einer baldigen Neuwahl dürfte er mit Zugewinnen rechnen - im Gegensatz zu Bennett, der mit dem Eintritt in diese Koalition fürs Erste seine rechte Wählerbasis verprellt hat.
"Israel hat keinen besseren Freund als die Vereinigten Staaten"
Im Ausland ist Israels neue Regierung mit offenen Armen empfangen worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie zahlreiche andere Staats- und Regierungschefs verschickten noch am Sonntagabend ihre Gratulationsschreiben an Bennett und Lapid. US-Präsident Joe Biden griff sogar zum Telefon und rief Bennett an. "Israel hat keinen besseren Freund als die Vereinigten Staaten", versicherte der US-Präsident seinem neuen Partner.
Die Freundschaft könnte allerdings schon bald auf die Probe gestellt werden. Denn erstens ist auch von Bennett keine Wiederbelebung des Friedensprozesses mit den Palästinensern zu erwarten. Er ist ein erklärter Gegner eines Palästinenserstaats. Zweitens steht auch der neue Premier einer Neuauflage des Atomabkommens mit Iran ähnlich ablehnend gegenüber wie Netanjahu. Ändern aber könnte sich der Ton. Denn anders als Netanjahu dürfte die neue Regierung auf internationaler Bühne weniger auf offene Konfrontation setzen und mehr auf Einflussnahme hinter den Kulissen.