Israel:Netanjahus eigentlicher Kampf steht noch bevor

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In zwei Wochen beginnt der Korruptionsprozess gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu. (Foto: dpa)
  • Die rechtsnationale Likud-Partei des Regierungschefs Netanjahu hat Israels Parlamentswahl gewonnen.
  • Das Mitte-Bündnis Blau-Weiß des Herausforderers Benny Gantz wurde nur zweitstärkste Kraft.
  • Für Netanjahu beginnt nach dem Wahlkampf der eigentliche Kampf vor Gericht: Er ist in drei Fällen wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue angeklagt

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Es war nach zwei Uhr früh, als Benjamin Netanjahu in der Nacht zum Dienstag vor die jubelnden Anhänger seiner rechtsnationalen Likud-Partei trat. Er sprach von einem "gigantischen Sieg entgegen allen Erwartungen, weil wir gegen mächtige Kräfte zusammengestanden haben". Tausende hatten ausgeharrt. "Unsere Gegner haben gesagt, die Netanjahu-Ära sei vorbei."

Der Ministerpräsident, der dieses Amt bereits mehr als zwölf Jahre inne hat, versprach, sofort mit der Arbeit zu beginnen. Er nannte die Annexion von Teilen des Westjordanlandes, die er in einer "historischen Allianz" mit den USA umsetzen wolle: "Nur wir können das machen." Der Wahlerfolg des Likud kam nur zwei Wochen vor Beginn eines Korruptionsprozesses gegen Netanjahu. Auf dieses Thema ging Netanjahu in der Wahlnacht gar nicht ein.

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Kurz zuvor hatte sein Herausforderer Benny Gantz seine Enttäuschung eingeräumt, dass sein blau-weißes Bündnis diesmal auf dem zweiten Platz gelandet ist. "Das ist nicht das Ergebnis, das wir vielleicht gewollt haben", sagte Gantz. Seinen politischen Gegnern warf er vor, gezielt Lügen über ihn verbreitet zu haben. Er sprach von der schmutzigsten Wahlkampagne in der Geschichte Israels.

Gantz schien die Tür für eine Kooperation mit dem Likud offen zu lassen. "Israel sehnt sich nach einer sich vereinenden Führung." Mit Blick auf den bevorstehenden Korruptionsprozess gegen Netanjahu versprach Gantz, er werde keine Gesetzesinitiativen unterstützen, die dem amtierenden Ministerpräsidenten Immunität ermöglichen würden.

Dass der Likud sogar mit deutlichem Vorsprung die Wahl gewonnen hat, war eine der Überraschungen dieser Wahl. Laut Prognosen dürfte der rechte Block aber die Mehrheit um zwei Mandate verfehlen. Die zweite war, dass 71 Prozent der 6,5 Millionen Wahlberechtigten tatsächlich wählen gingen und die Beteiligung die höchste seit 21 Jahren war - obwohl am Montag die Israelis bereits zum dritten Mal binnen eines Jahres zu den Urnen gerufen wurden.

Ob die Mehrheit Netanjahus dafür reichen würde, dass der Likud mit anderen rechten und religiösen Parteien eine Mehrheit für die Regierungsbildung zustande bekommt, war auch am Vormittag noch nicht klar, als bereits ein beträchtlicher Teil der Stimmen ausgezählt war. Ein Netanjahu-Berater bestätigte am Morgen, dass man bereits in Gesprächen mit "mehreren Abgeordneten" der Konkurrenz sei, um sie zu einem Wechsel zu bewegen und zu einer Mehrheit zu gelangen. Der Politikwissenschafter Maoz Rosenthal chnet damit, dass Politiker vom blau-weißen Bündnis sowie von der Gescher-Partei zum Likud überlaufen könnten.

Die Likud-Partei kam nach Auszählung eines beträchtlichen Teils der Stimmen auf 36 bis 37 Mandate. Das Mitte-Bündnis Blau-Weiß des Herausforderers Benny Gantz wurde mit 32 bis 34 Mandaten nur zweitstärkste Kraft. Netanjahus rechts-religiöses Lager kam nach drei TV-Prognosen auf 59 bis 60 Sitze, das Mitte-Links-Lager erhielt 54 bis 55 Mandate. Für eine Regierungsmehrheit sind jedoch mindestens 61 von 120 Mandaten im Parlament notwendig.

Lieberman könnte zu Koalition verhelfen

Das rechte Bündnis des Wahlsiegers Netanjahu besteht aus dessen Likud-Partei, der den Siedlern nahestehenden Jamina-Partei von Verteidigungsminister Naftali Bennett und den ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Thora-Judentum. Die rechtsextreme Ozma Jehudit (Jüdische Kraft) scheiterte an der Sperrklausel von 3,25 Prozent. Zum Mitte-Links-Lager wird neben Gantz' Bündnis Blau-Weiß, der linksliberalen Liste von Arbeitspartei, Merez und Gescher auch die Vereinigte Liste der arabischen Parteien gezählt.

Der ehemalige Verteidigungsminister Avigdor Lieberman könnte mit seiner ultranationalistischen Partei Unser Haus Israel zu einer Koalitionsmehrheit verhelfen. Allerdings hatte Lieberman im Wahlkampf zuletzt ausgeschlossen, einer Regierung angehören zu wollen, in der auch Netanjahu vertreten ist. Auch Gantz will in keine Regierung mit Netanjahu eintreten und begründet dies mit den Anklagen gegen ihn. Deshalb war auch eine von Präsident Reuven Rivlin favorisierte große Koalition aus Likud und Blau-Weiß nach zwei Wahlgängen nicht zustande gekommen. Blau-Weiß war aus der Wahl im September mit 33 von 120 Mandaten als stärkste Kraft hervorgegangen. Der Likud kam auf 32 Mandate, aber keines der beiden Lager hatte eine Mehrheit für eine Regierungsbildung.

Korruptionsprozess gegen Netanjahu startet

Präsident Rivlin nutzte die Aufmerksamkeit der Medien nach der Abgabe seiner Stimme am Montag für eine Botschaft an die Israelis. Normalerweise sei ein Wahltag ein feierlicher Tag, aber nicht, wenn binnen eines Jahres zum dritten Mal die Bürger an die Urnen gerufen werden. "Ehrlich gesagt, empfinde ich heute keinerlei Feierlichkeit. Nur ein Gefühl der tiefen Scham euch gegenüber, den Bürgern des Staates Israel." Der Präsident sprach dann auch von sich selbst als Staatsbürger: "Wir haben das einfach nicht verdient. Wir haben einen schrecklichen und schmutzigen Wahlkampf wie diesen nicht verdient. Wir haben eine endlose Phase der Instabilität nicht verdient. Wir haben eine Regierung verdient, die für uns arbeitet."

Der Präsident muss nun die Frage klären, ob er Netanjahu nach den Anklagen überhaupt mit einer Regierungsbildung beauftragen kann. Der Generalstaatsanwalt und das Oberste Gericht haben sich noch nicht abschließend dazu geäußert, ob einem Angeklagten überhaupt ein Mandat dazu erteilt werden darf. Im Gegensatz zu den vorherigen Wahlen ist Netanjahu nun tatsächlich in drei Fällen wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue angeklagt - als erster amtierender Ministerpräsident.

Für Netanjahu beginnt daher nach dem Wahlkampf der eigentliche Kampf vor Gericht: der um das politische Überleben. Vor der Wahl hatte ein Gericht den Prozessbeginn gegen ihn für den 17. März festgelegt. Selbst im Falle einer raschen Regierungsbildung hätte er nicht mehr genügend Zeit, um ein Immunitätsgesetz in der Knesset zu verabschieden.

Im Wahlkampf, in dem es auch um angebliche Sexaffären von Gantz und heimlich aufgenommene, wenig schmeichelhafte Einschätzungen von Beratern ging, wurden auch neue Details aus den Untersuchungen gegen Netanjahu bekannt. So soll Netanjahu während eines offiziellen Moskau-Besuchs die Rechnung in einem Restaurant in Höhe von 24 000 Dollar einem Milliardär zustellen haben lassen, der an einem Tisch nebenan saß. Seine Ehefrau Sara soll noch ein Kilogramm "sehr teuren Kaviar" mitgenommen haben. Netanjahu soll sich danach gerühmt haben, dass er nie in einem Restaurant zahlen müsse.

In allen Fällen geht es um Gefälligkeiten wie positive Berichterstattung oder Geschenke von reichen Bekannten, für die Netanjahu politische Gegenleistungen organisiert haben soll. Das Verfahren wird Monate, vielleicht Jahre dauern. Die mit dem Verfahren betraute Richterin Rivka Friedman-Feldman war an der Verurteilung des früheren Ministerpräsidenten Ehud Olmert zu 27 Monaten Haft beteiligt. Nachdem 2008 die Korruptionsvorwürfe bekannt geworden waren, trat Olmert zurück. Dazu gedrängt hatte ihn der damalige Oppositionsführer - Benjamin Netanjahu.

© SZ vom 03.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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