Israel:Ein Journalist im Visier des Premierministers

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Benjamin Netanjahu steht derzeit als Angeklagter in gleich drei anderen Korruptionsfällen vor Gericht. Dem Enthüllungsjournalisten Raviv Drucker wirft er indes "obsessive Verfolgung" vor. (Foto: Abir Sultan/dpa)

Raviv Drucker ist einer der besten Enthüllungsjournalisten Israels. Er hat etliche Affären aufgedeckt, die Benjamin Netanjahu und sein Umfeld betreffen. Das hatte Folgen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Exklusive Enthüllungen hat er schon viele präsentiert im israelischen Fernsehen, doch diese Story war auch für Raviv Drucker ungewöhnlich: Ende 2016 berichtete er auf dem Fernsehsender Channel 10 über Korruptionsvorwürfe beim Kauf israelischer U-Boote vom deutschen Thyssenkrupp-Konzern - und stieß damit Ermittlungen in Israel und später auch in Deutschland an. In den Fokus gerieten dabei gleich mehrere Männer aus dem engeren Umfeld von Premierminister Benjamin Netanjahu. Und Raviv Drucker, der den Stein ins Rollen gebracht hat, wurde, wie es die Zeitung Haaretz nannte, endgültig zu "Netanjahus meist gehasstem Journalisten".

Gehasst vom Premier, hoch angesehen beim Publikum - in jedem Fall ist Drucker, 51, der wohl bekannteste investigative Reporter Israels. Mit seiner Familie lebt er in Tel Aviv, Treffpunkt ist ein Straßencafé ums Eck von seiner Wohnung. Es ist Wahlkampf in Israel, "viel zu tun", sagt er. Doch er wirkt entspannt und nippt am Kaffee, den er im Pappbecher an der Theke abgeholt hat.

"Netanjahus meist gehasster Journalist": der israelische Investigativjournalist Raviv Drucker. (Foto: Ronen Akerman)

Sein Markenzeichen sind harte, investigative Recherchen - in alle Richtungen. Mit einer Geschichte über Betrug bei den internen Vorwahlen hat er 2007 schon die linke Arbeitspartei in die Bredouille gebracht. Dem rechten Ministerpräsidenten Ariel Scharon bereitete er 2006 einigen Ärger mit einer Geschichte über den politischen Einfluss, den dessen Sohn Omri hinter den Kulissen ausübte. Und Netanjahus Amtsvorgänger Ehud Olmert ärgerte er mit seinen Berichten so sehr, dass der ihn als "Netanjahus Hofreporter" beschimpfte.

Womöglich hat Netanjahu das damals selbst gern geglaubt, in jedem Fall war es in seinem Interesse, dass Drucker den politischen Konkurrenten Druck machte. "Zu Netanjahu hatte ich damals eine sehr gute Beziehung", erinnert er sich, "ich konnte mit ihm reden, wann immer ich wollte, und er sagte, ich sei der einzige Journalist, der einen guten Job macht."

Umständehalber hat sich diese Einschätzung allerdings sehr bald verändert. 2008 schon erregte Drucker Aufsehen mit einer Geschichte über gesponserte Luxusreisen, die den damaligen Oppositionsführer Netanjahu mitsamt seiner Gattin Sara nach London geführt hatten. Als Netanjahu 2009 an die Macht kam, folgten weitere Enthüllungen - bis zu jener ganzen Serie von Berichten, mit denen Drucker Ende 2016 aufhorchen ließ. Neben der Geschichte über den Korruptionsverdacht beim U-Boot-Geschäft mit Deutschland ging es auch noch um teure Urlaube, die der australische Milliardär James Packer Netanjahus Sohn Jair bezahlt haben soll.

Unter Verdacht: Kritiker werfen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu fragwürdiges Verhalten bei U-Boot-Geschäften vor. (Foto: Abir Sultan/dpa)

Netanjahu ging schnell in die Offensive, mit voller Kraft. Auf Facebook warf er Drucker eine "obsessive Verfolgung" des Premierministers und seiner Familie vor und sprach von "Schmierenkampagnen". Seine Likud-Partei twitterte gar im vorigen Sommer, nach einer erneuten Enthüllung: "In einer gerechten Welt würde Raviv Drucker für die Ausstrahlung von Informationen aus kriminellen undichten Quellen ins Gefängnis gehen."

Netanjahu versucht, Drucker zu einer Art Staatsfeind zu machen

Der Druck auf Drucker ist enorm inzwischen, und Benjamin Netanjahu versucht, ihn zu einer Art Staatsfeind zu machen. "Normalerweise genieße ich diesen Status. Ich bekomme eine Menge Aufmerksamkeit, das ist gut für einen Journalisten", sagt er. "Aber ich muss gestehen, dass es in den letzten Jahren nicht mehr so spaßig gewesen ist. Es ist persönlich geworden, und es wird immer härter zu arbeiten."

Um sich selbst macht er sich dabei eher wenig Sorgen, auch wenn ihn sein Arbeitgeber zwischenzeitlich sogar einmal unter Personenschutz stellte. "Das war nur für eine Woche, ich fühle mich nicht bedroht", sagt er. Auch seinen Job hält er für gesichert, obwohl sein alter Sender aus Finanzgründen fusionieren musste - und die Mehrheit am neuen Channel 13 hält ein Milliardär namens Leonard Blavatnik mit besten Beziehungen zu Netanjahu. Im vorigen Sommer hat es in der Redaktion mit Verweis auf Sparzwänge schon eine Entlassungswelle gegeben, doch Drucker blieb auf dem Posten. "Das war nicht politisch", sagt er.

Was ihn wirklich besorgt, das ist der Zustand der israelischen Demokratie. Netanjahu steht wegen Korruption in drei Fällen vor Gericht, und all sein Handeln ist darauf ausgerichtet, sich dem Prozess zu entziehen. Er attackiert politische Gegner, die Justiz und die Medien, er treibt das Land in immer neue Wahlen. "Dieser Premier kennt keine Stoppschilder", glaubt Drucker. "Ich habe immer gedacht, es sei zu hart, Israel mit Ungarn, Polen oder Russland zu vergleichen. Aber inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher." Entscheidend, so sagt er, sei nun der Ausgang der Parlamentswahl am 23. März: "Es gibt die Möglichkeit, dass Netanjahu verliert. Aber psychologisch bereite ich mich auf das Schlimmste vor."

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