Nahost:Sabotage im kalten Frieden

Nahost: Frieden in Gefahr: Palästinensische Jugendliche demonstrieren mit Flaggen vor einem im Konflikt demolierten Haus.

Frieden in Gefahr: Palästinensische Jugendliche demonstrieren mit Flaggen vor einem im Konflikt demolierten Haus.

(Foto: Majdi Mohammed/AP)

Jordanien vermasselt Israels Regierungschef Netanjahu seinen Triumph-Trip in die Vereinigten Arabischen Emirate. Darüber liefern sich beide Länder nun einen diplomatischen Schlagabtausch mit Potenzial zur Eskalation. Das gefährdet auch die Nahost-Friedensbemühungen von Bundesaußenminister Heiko Maas.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Frieden haben sie geschlossen, aber Freunde sind sie nicht geworden: Israel und Jordanien pflegen eine Nachbarschaft mit Distanz. Doch selbst ihr 1994 geschlossener kalter Frieden ist gerade wieder in Gefahr geraten durch einen diplomatischen Schlagabtausch, der hoch in den Lüften ausgetragen wird und in den irdischen Niederungen einige Eskalationsgefahr birgt.

Offenkundig geworden ist der Zwist am vorigen Donnerstag. Da wollte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ganz dringend nach Abu Dhabi fliegen. Historisch sollte die Visite sein, der erste offizielle Besuch eines israelischen Regierungschefs in den Vereinigten Arabischen Emiraten, nachdem beide Länder im September ihre Beziehungen normalisiert hatten. Natürlich hoffte Netanjahu dabei auch auf einen gewinnbringenden Auftritt unmittelbar vor der Parlamentswahl am 23. März. Doch die Jordanier machten ihm einen Strich durch die Rechnung, indem sie den Flug einer eigens entsandten emiratischen Maschine, die Netanjahu ans Ziel bringen sollte, stundenlang verzögerten. Entnervt musste Netanjahu schließlich den geplanten Kurztrip absagen.

Israel ließ den Kronprinzen nicht zum Tempelberg durch

Die Regierung in Amman macht keinen Hehl daraus, dass ihr kleiner Sabotageakt als Retourkutsche gedacht war für einen Vorfall am Tag zuvor: Da hatte Kronprinz Hussein den Tempelberg in Jerusalem besuchen wollen. Er musste jedoch schon an der Grenze umkehren, weil die Israelis ihm offenbar nicht erlauben wollten, mit einer größeren Schar von Sicherheitsleuten einzureisen als vereinbart.

Der Tempelberg, den die Muslime Haram al-Sharif nennen, das edle Heiligtum, ist der sensibelste Ort im israelisch-jordanischen Verhältnis. Wo früher der jüdische Tempel stand, beten nun die Muslime in der Al-Aksa-Moschee. Im Friedensvertrag von 1994 wurde dem jordanischen Königshaus die Wächterrolle über den Tempelberg zugesichert. Doch immer wieder brechen hier Kompetenzstreitigkeiten auf.

Zum einen sind auf israelischer Seite vor allem die rechten Kräfte stetig bemüht, den Status quo auf dem Tempelberg zu ändern. Zum anderen schwelt im Hintergrund noch ein interner islamischer Konflikt zwischen Jordanien und Saudi-Arabien. Das dortige Königshaus ist als Hüter über die heiligen Stätten in Mekka und Medina seit Langem daran interessiert, auch Mitsprache in der Al-Aksa-Moschee zu erlangen, dem drittheiligsten Ort des Islam. In jüngerer Zeit wurde dieser Konflikt angeheizt durch Spekulationen, dass die Saudis mit entsprechenden Zusagen zum Abschluss eines Normalisierungsabkommens mit Israel gelockt werden könnten.

Netanjahu und der König mögen einander nicht

Schwer belastet wird das israelisch-jordanische Verhältnis überdies durch eine offensichtliche persönliche Unverträglichkeit zwischen Netanjahu und dem jordanischen König Abdullah. Ihr Streit entzündet sich immer wieder an Israels Umgang mit den Palästinensern. Mehr als die Hälfte der jordanischen Bevölkerung ist palästinensischen Ursprungs. Zum 25. Jahrestag des Friedensvertrags, der ohne jegliche Feierlichkeiten begangen worden war, hatte Abdullah die Beziehungen auf einem "Allzeittief" verortet.

Dass es noch tiefer gehen kann, zeigt nun jedoch die neueste Auseinandersetzung. Israelischen Medienberichten zufolge soll Netanjahu in seiner Wut über die erzwungene Absage seines Abu-Dhabi-Besuchs ohne Konsultation mit anderen Regierungsvertretern angeordnet haben, im Gegenzug sofort den gesamten israelischen Luftraum für jordanische Maschinen zu sperren. Verhindert werden konnte dies demnach nur, indem die nachgeordneten Stellen auf Zeit spielten und so lange Fragen zur Umsetzung einreichten, bis sich Netanjahu eines Besseren besann.

Verteidigungsminister Benny Gantz warf ihm nun vor, durch den Streit mit Jordanien "Israels nationale Sicherheit zu gefährden". Die Fronten haben sich in jedem Fall verhärtet, und das ist nicht nur schlecht für Israel und für Jordanien. Es wirft auch einen Schatten auf die neuesten Friedensbemühungen in Nahost. Erst vorige Woche hatte sich der deutsche Außenminister Heiko Maas in Paris mit seinen Amtskollegen aus Frankreich, Ägypten und Jordanien getroffen. Das Ziel dieses sogenannten Kleeblatts: Sie wollen mit ihren guten Kontakten Israelis und Palästinenser wieder an den Verhandlungstisch bringen.

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