Regierungsbildung in Israel:Präsident Rivlin spricht von "großen Fortschritten"

Benny Gantz, Israel

Benny Gantz erzielte mit seinem Bündnis Blau-Weiß zwei Sitze mehr als Amtsinhaber Netanjahu - doch eine Mehrheit hat auch er nicht.

(Foto: Amir Levy/Getty Images)
  • Nach der Wahl in Israel haben weder der amtierende Ministerpräsident Netanjahu noch sein Kontrahent Gantz eine Mehrheit im Parlament.
  • Als Lösung ist eine nationale Einheitsregierung im Gespräch, also eine große Koalition.
  • Nun muss Präsident Rivlin entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt.
  • Erste direkte Gespräche zwischen Netanjahu und Gantz bewertet er positiv. Er fordert die beiden Politiker auf, eine Lösung zu finden, "auch wenn das einen persönlichen und ideologischen Preis" erfordere.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Es ist ein ungewöhnlicher und intern durchaus umstrittener Schritt: Die meisten arabischen Abgeordneten der Gemeinsamen Liste haben Benny Gantz für das Amt des Ministerpräsidenten empfohlen. Ihre Begründung: Sie wollen Benjamin Netanjahu nicht mehr in diesem Amt sehen. Es ist das erste Mal seit 1992, als Jitzchak Rabin von der Arbeitspartei Frieden mit den Palästinensern versprochen hatte, dass arabische Politiker einen jüdischen Kandidaten als Premier unterstützen.

Weil aber drei der 13 Abgeordneten dem Spitzenkandidaten des zentristischen blau-weißen Bündnisses die Unterstützung versagten, kam Gantz nur auf 54 Empfehlungen. Die Politiker der Balad-Partei, eine der vier arabischen Parteien der gemeinsamen Liste, begründeten dies mit Gantz' Agieren als Generalstabschef der Armee im Gazakrieg 2014.

Avigdor Lieberman, der mit seiner nationalistischen Partei Unser Haus Israel Mehrheitsbeschaffer für Gantz' oder Netanjahus Lager sein könnte, gab keine Empfehlung ab. Netanjahu, der die Empfehlungen aller Vertreter der rechten und religiösen Parteien auf sich vereint, kam auf ein Votum mehr als Gantz. Aber das blau-weiße Bündnis erreichte bei der Parlamentswahl zwei Sitze mehr als Netanjahus rechtsnationale Likud-Partei.

Präsident Reuven Rivlin muss beides abwägen: Das Wahlergebnis und die Empfehlungen. Den Regierungsbildungsauftrag erhält normalerweise jener, der die besten Chancen hat, eine Koalition zu bilden. Aber weder Gantz noch Netanjahu haben die nötigen Mehrheit von 61 Sitzen. Gantz kann sich auf 57 Sitze samt arabischer Liste stützen, zwei mehr als Netanjahu.

Präsident Rivlin bat Gantz und Netanjahu am Montagabend in seine Residenz. Gantz traf sich davor mit Lieberman, der an einer Einheitsregierung beteiligt werden will. Der Präsident kann Gantz oder Netanjahu den Regierungsbildungsauftrag erteilen. Emissäre beider Politiker ließen durchblicken, sie wären froh, nicht als erste den Auftrag zu bekommen - scheitert der andere, dürfte das Verhandeln einfacher werden. Wer den Auftrag erhält, hat bis zu sechs Wochen Zeit. Scheitert er, kann ein anderer Politiker versuchen, binnen 28 Tagen eine Koalition zu bilden. Gelingt auch das nicht, bleiben nur Neuwahlen - es wären die dritten in einem Jahr. Das will Rivlin vermeiden.

Er ließ mitteilen, beim ersten direkten Gespräch Netanjahus und Gantz' habe es "große Fortschritte" gegeben mit dem Ziel einer Einheitsregierung. Rivlin rief beide auf, eine Lösung zu finden und Wahlen zu verhindern, "auch wenn das einen persönlichen und ideologischen Preis" erfordere.

Rivlin könnte auch, wie Präsident Chaim Herzog 1984, nur festlegen, er wolle eine große Koalition, also die Einheitsregierung. Dann müssten beide eine Einigung versuchen. 1984 hatte weder die Arbeitspartei noch der Likud eine Mehrheit. Schimon Peres und Jitzchak Schamir einigten sich auf ein Rotationsmodell.

Würde Netanjahu als Premier in der ersten Hälfte der vierjährigen Legislatur beginnen, könnte er in dieser Zeit auf einen Freispruch in Korruptionsprozessen hoffen. Seinen Plan, ein Immunitätsgesetz durchzusetzen, wird er in der Einheitsregierung nicht durchbringen. Als Premier müsste er erst bei einer Verurteilung zurücktreten. Dass er bis zum Prozessende bleiben will, hat Netanjahu mehrmals erklärt. Am 2. Oktober muss er sich einer Anhörung stellen, dann entscheidet Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit über die drei Anklagen.

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