Süddeutsche Zeitung

Israel im Atomstreit mit Iran:Panikmache mit rotem Filzer

Vor der UN-Generalversammlung hat Netanjahu demonstriert, dass er zumindest nach außen nicht für Argumente zugänglich ist. Die Gefahr einer nuklearen Bewaffnung Irans ist tatsächlich gewaltig - was die Welt bei deren Eindämmung nicht braucht, ist ein präpotenter Premier aus Israel, der im Alleingang rote Linien zieht.

Peter Münch

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat schon manch skurrilen Auftritt erlebt. Der Sowjetführer Nikita Chruschtschow fuchtelte einst mit seinem rechten Schuh am Rednerpult, Venezuelas Präsident Hugo Chavez versuchte sich mit Blick auf George W. Bush in einer Teufelsaustreibung, und nun hat Benjamin Netanjahu Weltpolitik im Comic-Format betrieben.

Bewaffnet mit einem roten Filzstift ist er bei den UN in den Kampf gezogen gegen die iranische Atombombe, und am Ende konnte man schon froh sein, dass er auf seinem stolz präsentierten Cartoon die bauchige Bombe nicht wie weiland bei den Mohammed-Karikaturen aus einem Turban wachsen ließ. Die Show-Einlage hat ihn auf die Titelseiten der Tageszeitungen gebracht. Doch eigentlich ist die Lage zu ernst für solche Mätzchen.

Die Gefahr einer nuklearen Bewaffnung Irans ist tatsächlich so gewaltig, dass es einer weltweiten Anstrengung zur Eindämmung bedarf. Was die Welt dabei nicht brauchen kann, ist ein präpotenter Premier aus Israel, der im Alleingang rote Linien zieht, hinter denen unabänderlich ein Krieg lauert. Dies haben Netanjahu längst auch die engsten Verbündeten von US-Präsident Barack Obama bis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel wissen lassen. Mit seinem Auftritt vor den UN hat er nun demonstriert, dass er zumindest nach außen weder für Argumente noch für Warnungen zugänglich ist. Er stemmt sich dagegen mit einem fast kindlichen Trotz, der seine Entsprechung findet im Bomben-Bildchen samt Malstift.

Sanktionen gegen Iran zeigen Wirkung

Begleitet von solchen Mätzchen jedoch wirken selbst die drastischsten Drohungen nicht überzeugend. Zwar hat Netanjahu nun für das nächste Frühjahr, spätestens für den Sommer, den Zeitpunkt festgelegt, zu dem militärisch gehandelt werden müsse, falls Iran nicht doch noch zurückschreckt. Anders herum betrachtet heißt das jedoch, dass der Krieg vorerst abgesagt ist. Die vor allem von Obama gefürchtete Option eines israelischen Alleingangs noch vor der US-Präsidentenwahl im November ist vom Tisch. Es wurde also Zeit gewonnen für diplomatische Lösungen.

Diese Zeit sollte für zweierlei genutzt werden: Erstens, um den Druck auf Iran zu erhöhen. Selbst Israels Außenministerium hat nun - anders als der Regierungschef in New York - eingeräumt, dass die Sanktionen Wirkung zeigen und nicht nur die iranische Wirtschaft, sondern auch die Stellung des Regimes schwächen. Neue Sanktionen, verbunden mit positiven Anreizen zur Wiederaufnahme in die Weltgemeinschaft, könnten die Teheraner Führung doch noch zu einem gesichtswahrenden Rückzug bewegen.

Zum Zweiten wäre es wichtig, Israel einzubinden in die diplomatische Front gegenüber Iran. Dazu aber muss die Regierung in Jerusalem erkennen, dass sie mit der ständigen Drohung eines militärischen Alleingangs weniger den Feind in Teheran als die Freunde im Rest der Welt verstört. Es ist an der Zeit, dass Netanjahu seinen Stift nimmt und einen Schlussstrich zieht unter seine Politik der Panikmache.

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SZ vom 29.09.2012/fran
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