Israel:Höchst besorgt

Nun sei der Weg zum Bau vieler Atombomben frei, sagt Israels Regierungschef Netanjahu - und verurteilt die Einigung von Wien. Man werde sich selbst verteidigen, heißt es drohend aus Jerusalem.

Von Peter Münch

Alles klatscht, und einer schimpft: Das Atomabkommen mit Iran lässt Israel in der Rolle des trotzigen Außenseiters zurück. Premierminister Benjamin Netanjahu geißelt die Einigung als "historischen Fehler für die Welt" und wirft den westlichen Verhandlungsführern eine "Kapitulation" vor dem Teheraner Regime vor. Sie hätten einen "Abschluss um jeden Preis" erreichen wollen, klagt er - und macht zugleich klar, das sein Land sich an diesen Abschluss nicht gebunden fühle. Israel werde weiter alles daransetzen, Iran vom Bau einer Atombombe abzuhalten. Was dies konkret bedeuten könnte, ergänzt sein Verteidigungsminister Mosche Jaalon: "Wir werden uns selbst verteidigen."

Dies darf als Hinweis darauf verstanden werden, dass die Option eines militärischen Alleingangs gegen die iranischen Atomanlagen immer noch auf dem Tisch liege. Ein möglicher Präventivschlag ist seit Langem schon das Ceterum censeo der israelischen Regierung - aber zum jetzigen Zeitpunkt wohl nicht mehr als eine leere Drohung. Es wäre schlicht widersinnig und obendrein gefährlich für Israel, Iran just dann anzugreifen, wenn es mit dem Rest der Welt gerade auf einer Linie liegt.

Dennoch sollte niemand Israels Entschlossenheit unterschätzen. Denn die Angst vor der iranischen Bedrohung ist echt, und aus Jerusalemer Sicht wird diese Bedrohung durch das Atomabkommen längst nicht eingedämmt. Iran bleibe ein "nukleares Schwellenland", kritisiert Verteidigungsminister Jaalon. Netanjahu sieht durch das Abkommen sogar den Weg geebnet zum Bau "vieler Atombomben". Überdies werde die Aufhebung der Sanktionen der iranischen "Terror- und Eroberungsmaschinerie Hunderte Milliarden Dollar liefern".

Netanjahu kämpft seit Langem auf allen Ebenen gegen die iranischen Nuklear-Ambitionen, am Ende hat er dabei sogar die Beziehungen zu US-Präsident Barack Obama auf manch harte Belastungsprobe gestellt. Nun ruhen seine Hoffnungen auf dem US-Kongress, der binnen 60 Tagen über das Abkommen abstimmen muss. Dies sei die "letzte Verteidigungslinie", heißt es in Jerusalem. Doch nicht nur in den USA werden nun noch einmal alle Hebel in Bewegung gesetzt. Zu Wochenbeginn hat Netanjahu einen Twitter-Account auf Farsi eröffnet, um sich auch direkt an die iranische Öffentlichkeit zu wenden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: