Nahost:Öffnet Israels Regierung die „Tore der Hölle“?

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Belazel Smotrich (li.), der Finanzminister des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu, droht der Hamas für den Fall, dass sie bis Samstag keine weiteren Geiseln freilässt. (Foto: Ronen Zvulun/Reuters)

Drohungen von beiden Seiten und ein Luftangriff: Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ist gefährdet. Deutschland will Polizisten an den Grenzübergang Rafah schicken.

Von Sina-Maria Schweikle, Berlin

Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ist akut gefährdet. Am Mittwoch bestätigten die israelischen Streitkräfte einen Luftangriff auf den südlichen Gazastreifen. Auf der Plattform X teilte das Militär mit, dass ein Kampfflugzeug eine Drohne sowie zwei „Verdächtige“ angegriffen habe. Außerdem wurden Reservisten einberufen als Vorbereitung für den Fall, dass die Hamas tatsächlich wie angedroht die Frist zur Freilassung weiterer Geiseln am Samstag verstreichen lässt. Von der militanten palästinensischen Gruppe gab es am Mittwoch jedoch widersprüchliche Signale: Ungeachtet der Drohung, die weitere Geiselübergabe bis auf Weiteres aufzuschieben, teilten Hamas-Vertreter mit, die zweite Phase der Waffenruhe könne beginnen.

Die Waffenruhe gilt seit rund drei Wochen. Bisher sind 21 der 33 Geiseln, die in ihrer ersten Phase freigelassen werden sollen, übergeben worden. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte am Mittwoch, Israel werde die „intensiven Kämpfe“ wieder aufnehmen, „wenn die Hamas unsere Geiseln nicht bis Samstagmittag zurückgibt“. In Israel geht man davon aus, dass von den 76 Geiseln, die noch im Gazastreifen sind, lediglich 40 noch am Leben sind.

Die US-Regierung hat der Hamas ein Ultimatum gestellt

Unterdessen wiederholte US-Präsident Donald Trump seine Forderung nach einer Freilassung aller Geiseln bis Samstagmittag. Er gab Israel den Rat, die Waffenruhe aufzukündigen, sollte die Hamas dieser Forderung nicht nachkommen. Benjamin Netanjahu könnte es in die Hände spielen, wenn der Krieg wieder auflebt. Will er doch vermeiden, dass seine rechtsreligiöse Regierungskoalition bricht und vorgezogene Neuwahlen ausgerufen werden.

Trumps Ultimatum an die Hamas stößt in Netanjahus Regierung auf große Zustimmung. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich begrüßte den Vorstoß des US-Präsidenten. In einem Beitrag auf X forderte Smotrich Netanjahu am Dienstagabend auf, der Hamas noch einmal deutlich zu machen, was Trump angekündigt hatte: Sollten bis Samstag nicht alle Geiseln freigelassen werden, würden sich für die Hamas „die Tore der Hölle“ öffnen.

Für die Menschen im Gazastreifen würde das bedeuten, so Smotrich: „Kein Strom, kein Wasser, kein Treibstoff, keine humanitäre Hilfe. Nur Feuer und Schwefel von unseren Flugzeugen, unseren Gewehren, unseren Panzern und unseren heldenhaften Kriegern.“ Nach dem Plan von Präsident Trump sollen alle Bewohner des Gazastreifens vertrieben werden. Israels Finanzminister schreibt, es gehe „um die Einnahme von Gebieten und die Auferlegung von Souveränität darüber, weil unser Feind weiß, dass dies der schmerzliche Preis ist, den er dafür zahlen muss“.

Trump will Gaza übernehmen und zwei Millionen Palästinenser auf Jordanien und Ägypten verteilen

Bei seinem Treffen mit dem jordanischen König Abdullah II. in Washington hat der US-Präsident am Dienstag seine Pläne bekräftigt, den Gazastreifen zu übernehmen und die rund zwei Millionen Palästinenser in die Nachbarländer Ägypten und Jordanien umzusiedeln. Es war König Abdullah II. anzusehen, dass er sich mit den Ausführungen des US-Präsidenten schwertat. Der jordanische König sagte lediglich zu, Jordanien werde 2000 Kinder aus dem Gazastreifen aufnehmen, die an Krankheiten leiden.

Die Waffenruhe ermöglicht Hilfslieferungen in größerem Umfang: Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern fahren an diesem Mittwoch in Rafah aus Ägypten in den Gazastreifen ein. (Foto: Abdel Kareem Hana/dpa)

Jordaniens Außenminister wies darauf hin, dass ein arabisch-ägyptischer Plan zum Wiederaufbau des kriegszerstörten Küstenstreifens in Arbeit sei – ohne Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen. „Ägypten unterstreicht seinen Willen, eine umfassende Vision für den Wiederaufbau des Gazastreifens vorzulegen, in einer Weise, die sicherstellt, dass die Palästinenser in ihrem Vaterland bleiben können und ihre Rechte gewahrt werden“, teilte das ägyptische Außenministerium auf X mit. Laut Berichten arabischer Medien sagte Ägyptens Präsident Abdel-Fattah al-Sisi ein Treffen mit Trump ab.

Für die Bewohner des Gazastreifens hat sich die Lage durch die Waffenruhe verbessert. Seit 1. Februar ist auch der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem südlichen Gazastreifen wieder geöffnet – täglich für sechs Stunden für die Ausreise von Schwerverletzten mit Begleitpersonen.

Die deutschen Beamten sollen erst kommen, wenn die Sicherheitslage besser ist

Um den Grenzschutz am Übergang Rafah zu unterstützen, können nun auch deutsche Polizeikräfte im Rahmen der europäischen Mission „EUBAM Rafah“ entsandt werden. Das Bundeskabinett habe an diesem Mittwoch „die Voraussetzungen geschaffen, dass sich deutsche Beamte an zwei zivilen Missionen der Europäischen Union beteiligten können, die in den palästinensischen Gebieten ablaufen könnten“, sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch. Die Bundesregierung setze sich in Nahost für „eine friedliche und nachhaltige Konfliktbeilegung ein“ und halte an der Perspektive einer Zweistaatenlösung fest, wofür eine „Sicherheitsarchitektur“ geschaffen werden müsse, die verhindere, dass die Hamas die Kontrolle wiedererlangt.

Für EUBAM Rafah wurde eine Personalgrenze auf bis zu 25 Beamtinnen und Beamten Polizei und Zoll angesetzt. Außerdem sollen bis zu 15 Polizeibeamte ins Westjordanland entsandt werden können, um dort als Berater beim Aufbau der Institutionen zu unterstützen, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums mitteilte.

Die Polizisten werden jedoch noch nicht jetzt nach Rafah oder ins Westjordanland geschickt. Grund ist die angespannte Lage vor Ort. Die Sicherheitslage sei „fragil, aber entwickelt sich positiv“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts.

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