Krieg in Nahost:Dutzende sterben nach Luftangriffen

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Demonstranten in Tel Aviv protestieren am 22. Juni gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu und fordern einen Deal zur Freilassung der Geiseln.
Demonstranten in Tel Aviv protestieren am 22. Juni gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu und fordern einen Deal zur Freilassung der Geiseln. (Foto: Amir Levy/Getty Images)

Bei israelischen Bombardements sind im Gazastreifen mehr als 60 Menschen getötet worden. Auch ein Zeltlager nahe einer Einrichtung des Roten Kreuzes wurde getroffen.

Von Matthias Kolb

Bei israelischen Luftangriffen sind in den vergangenen Tagen Dutzende Palästinenser ums Leben gekommen. Am Samstag starben nach palästinensischen Angaben mindestens 42 Menschen in Gaza-Stadt im Norden des Gazastreifens. Ziel des Beschusses seien das Viertel Al-Tuffah und das Flüchtlingslager Al-Schati gewesen, meldete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf das von der Hamas geführte Medienbüro der Regierung.

Wie israelische Medien berichten, hatten die israelischen Streitkräfte „wichtige Militärinfrastruktur der Hamas“ im Visier und wollten den hochrangigen Funktionär Raad Saad ausschalten. Der Zeitung Maariv zufolge ist Saad die Nummer vier der islamistischen Terrororganisation, deren Mitglieder am 7. Oktober 2023 etwa 1200 Israelis töteten und mehr als 240 Geiseln nahmen. Saad soll zu den Kassam-Brigaden, dem militärischen Arm der Hamas, gehören. Aus Sicherheitskreisen erfuhr Maariv, dass „mindestens 40 Terroristen“ getötet worden seien. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen.

22 Menschen sterben nahe Einrichtung des Roten Kreuzes

Bereits am Freitag starben 22 Menschen beim Beschuss eines Zeltlagers in Mawasi nahe Rafah, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mitteilte. Ein IKRK-Gebäude sei von Hunderten vertriebenen Zivilisten umgeben gewesen, die dort ebenso in Zelten lebten wie Mitarbeiter des Roten Kreuzes. „So gefährlich nah an humanitären Einrichtungen zu feuern, gefährdet das Leben von Zivilisten und humanitären Helfern“, hieß es weiter.

Den Kriegsparteien ist den Angaben nach bekannt, wo sich humanitäre Einrichtungen befinden. Großkalibrige Geschosse seien nur wenige Meter vom Büro entfernt gelandet, klagte das IKRK, ohne eine Vermutung abzugeben, wer den Angriff durchführte.

William Schomburg vom IKRK in Rafah sagte der BBC, er habe „Kinder, Frauen, junge Männer“ gesehen, die in Folge der Explosionen „extrem schwer verletzt“ wurden. Israels Armee teilte mit, den Vorfall weiter zu prüfen. Einer ersten Untersuchung zufolge gab es keinen direkten Angriff auf eine Einrichtung des Roten Kreuzes. Israel wirft der Hamas seit Jahren vor, ihre Kämpfer und Waffen in Wohngebieten zu verstecken.

Am Sonntag sagten Anwohner zu Reuters, israelische Panzer seien bis an den Rand des Flüchtlingslagers Mawasi vorgerückt. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde im Gazastreifen sind seit Kriegsbeginn mindestens 37 598 Menschen durch israelische Angriffe getötet worden.

Palästinenser auf Motorhaube geschnürt

Für Empörung in den sozialen Netzwerken sorgte ein Video, das ein israelisches Militärfahrzeug im Westjordanland zeigt, auf dessen Motorhaube ein verletzter Palästinenser gebunden worden war. Den Soldaten wurde vorgeworfen, den Mann in Dschenin als „menschlichen Schutzschild“ missbraucht zu haben. Die israelische Armee bestätigte den Vorfall, geltende Regeln seien gebrochen worden. Der verletzte Verdächtige sei dem Roten Kreuz zur medizinischen Behandlung übergeben worden, berichtet die BBC.

Die Zahl der bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder eigenen Anschlägen getöteten Palästinenser ist laut dem Gesundheitsministerium im Westjordanland zuletzt auf mehr als 530 gestiegen. Auch die Gewalt radikaler israelischer Siedler gegen Palästinenser nimmt zu.

Am Samstag demonstrierten erneut Zehntausende Israelis gegen die Regierung von Premier Benjamin Netanjahu. Allein in Tel Aviv beteiligten sich nach Angaben der Organisatoren 150 000 Menschen, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. Es habe sich um die größte Protestaktion in der Küstenstadt seit dem 7. Oktober gehandelt.

Auch in Jerusalem, Haifa, Beerscheba und anderen Orten fanden Massenproteste statt, bei denen Neuwahlen gefordert wurden – und ein Deal mit der Hamas zur Freilassung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. In Tel Aviv riefen Demonstranten: „Lebendig, lebendig – und nicht in Leichensäcken“.

Nach dem Ende der Proteste zogen einige Hundert Demonstrierende zum Hauptquartier der Netanjahu-Partei Likud, wo sie Feuer anzündeten. Es kam zu Rangeleien mit der Polizei, mindestens drei Personen wurden verhaftet.

Netanjahu kündigte unterdessen am Sonntag an, dass sich die Phase schwerer Kämpfe im Gazastreifen dem Ende nähere. Das bedeute aber nicht das Ende des Krieges. Ein Ende der Phase schwerer Kämpfe im Gazastreifen werde Israel jedoch die Verlegung weiterer Teile der Streitkräfte an die Nordgrenze zum Libanon ermöglichen. Dort haben sich Israel und die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz zuletzt häufiger gewaltsame Auseinandersetzungen geliefert.

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