Zum Gruppenfoto traf sich das israelische Kabinett auf dem Hochplateau über dem See Genezareth. Der pittoreske Hintergrund sollte eine Entscheidung untermalen, die Premierminister Naftali Bennett voller Freude verkündete: Die Bevölkerungszahl auf den Golanhöhen soll dank eines ehrgeizigen Bauprogramms bis zum Ende der Dekade verdoppelt werden. Eine Milliarde Schekel, umgerechnet rund 270 Millionen Euro, will die Regierung dafür investieren. "Freunde, das ist unser Moment", twitterte der Premier von der rechten Siedlerpartei Jamina. "Wir schreiben Geschichte auf dem Golan."
Die Golanhöhen gehören wie das palästinensische Westjordanland und der Gazastreifen zu jenen Gebieten, die Israel im Sechstagekrieg von 1967 erobert und bis heute nicht zurückgegeben hat. Das völkerrechtlich zu Syrien gehörende Felsplateau von 60 Kilometern Länge und 25 Kilometern Breite ist dabei für Israel von enormer strategischer Bedeutung. Wer den Golan kontrolliert, überblickt zur einen Seite weite Teile des israelischen Nordens, zur anderen syrisches Gebiet bis hin zur 60 Kilometer Luftlinie entfernten Hauptstadt Damaskus.
Mit Blick auf die Sicherheitslage hatte Israel die Golanhöhen 1981 annektiert, was jedoch international nicht anerkannt wurde. Bis heute sind 27 000 jüdische Israelis angesiedelt worden. Zudem leben in der Region wie schon in syrischer Zeit rund 24 000 Drusen sowie 2000 Alawiten. Völkerrechtlich gesehen ist eine Besiedelung dort genauso ein Verstoß wie der Siedlungsbau in den besetzten Palästinensergebieten. In der Regel jedoch sind die internationalen Proteste deutlich leiser.
Ministerpräsident Bennett sieht nun offenbar ein günstiges Zeitfenster für eine Bauoffensive in dem Gebiet. Zum einen beruft er sich auf Fakten, die noch US-Präsident Donald Trump geschaffen hatte, als er im März 2019 im Alleingang Israels Souveränität über den Golan anerkannte. Zur Belohnung war dort postwendend eine neue Siedlung namens Ramat Trump, die Trump-Höhe, geplant worden. Der neue US-Präsident Joe Biden habe die Anerkennung der Souveränität bis heute nicht zurückgenommen und damit gleichsam gebilligt, argumentiert Bennett.
Leiser Widerspruch kam nur von der Umweltministerin
Zum anderen verweist er auf den seit zehn Jahren tobenden syrischen Bürgerkrieg, der inklusive der iranischen Militärpräsenz im Nachbarland noch einmal klar zeige, wie wichtig die Kontrolle der Golanhöhen für Israel sei. "Jeder vernünftige Mensch auf der Welt versteht, dass israelische, blühende, ruhige und grüne Golanhöhen besser sind als alle anderen Alternativen", sagte der Regierungschef. "Die Golanhöhen sind israelisch, das ist eindeutig."
Baupläne auf dem Golan sind vom rechten Ministerpräsidenten zudem innerhalb der israelischen Regierungskoalition deutlich einfacher durchzusetzen als der Siedlungsbau im palästinensischen Westjordanland. Denn dort erheben die in der Regierung vertretenen Linken sowie die arabische Raam-Partei stets Protest. Bei der entscheidenden Kabinettssitzung, die demonstrativ in einem Kibbuz auf den Golanhöhen abgehalten wurde, sprach Bennett von einem "breiten israelischen Konsens" in dieser Frage.
Ein leiser Widerspruch kam allein von der Umweltministerin Tamar Zandberg aus der linken Meretz-Partei. Die Entscheidung sei "kompliziert", erklärte sie. "Wir unterstützen den Frieden und hoffen, dass er eines Tages eintritt." Deutlicher wurde der oppositionelle arabische Abgeordnete Ahmad Tibi. "Es ist egal, wie viele Regierungstreffen auf dem Golan abgehalten werden", sagte er. "Das ist syrisches Land unter Besatzung."
Die neuen Siedlungen haben schon Namen
Ein paar Einwände kamen indes noch von Umweltschutzorganisationen, die angesichts der umfangreichen Baumaßnahmen um die Schönheit der Natur auf den Golanhöhen fürchten. Das Büro des Regierungschefs versprach deshalb, auf den Schutz der Umwelt zu achten, und kündigte zudem an, die Region solle zum landesweit führenden Zentrum für erneuerbare Energien gemacht werden. Hunderte Millionen Schekel sollen dafür in Solarenergieprojekte investiert werden.
Zur Ansiedlung neuer Bevölkerungsgruppen ist der Bau von insgesamt mehr als 10 000 Wohneinheiten vorgesehen. Die meisten davon sollen rund um Katzrin, den Sitz der regionalen Verwaltung, errichtet werden. Geplant sind jedoch auch zwei komplett neue Siedlungen, für die vorab schon die Namen Assif und Matar festgelegt wurden.
Bennett wirbt bereits bei den Bürgern für einen Umzug in den Norden. Schließlich habe die Pandemiezeit gezeigt, dass in vielen Fällen auch Heimatarbeit möglich sei. Dort könne man dies umgeben von schönster Natur erledigen, argumentierte er. "Allen Israelis, die nach einem Platz suchen, um ein Heim zu errichten, sage ich: Kommt auf den Golan."