Israel:Gewaltwelle  in arabischen Orten

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Mit Demonstrationen und Hungerstreiks protestieren Araber mit israelischem Pass gegen ihre Lage.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Jerusalem

Ibrahim Mahamid wurde von einer Kugel getroffen, die ihm nicht galt: Der 25-jährige arabische Israeli wurde in Umm al-Fahm am helllichten Tag auf offener Straße erschossen. Zwei Banden hatten eine Fehde ausgetragen. Laut seines Bruders Yosef hat es zwanzig Minuten gedauert, ehe die Polizei ankam - und noch länger, bis ein Krankenwagen eintraf.

Mahamid ist eines der jüngsten Opfer einer Gewaltwelle in von arabischen Israelis bewohnten Orten. Seit Jahresbeginn wurden 79 arabische Israelis getötet - das ist ein Anstieg um fast 50 Prozent innerhalb eines Jahres. Die arabischen Israelis, die etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung ausmachen, werfen der Polizei und Politik Untätigkeit und Ignoranz vor. Mit Protestaktionen versuchen sie daher, auf das Thema mangelnder Gewaltbekämpfung in ihrer Gemeinschaft aufmerksam zu machen.

Zehntausende nahmen in den vergangenen Wochen an Demonstrationen im ganzen Land teil. Seit Sonntag gibt es ein Protestcamp direkt gegenüber vom Sitz des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem. In einem Zelt unter einem Transparent mit der Aufschrift "Wir wollen ohne Gewalt und Kriminalität leben" haben sich zwei Dutzend Funktionäre und sechs Abgeordnete niedergelassen. Sie sind im Hungerstreik. "Das ist ein Mittel, um Aufmerksamkeit zu erregen", sagt Yousef Jabareen, Abgeordneter der Gemeinsamen Liste. Der Rechtsprofessor stammt aus Umm al-Fahm, wo laut Bürgermeister Samir Mahamid nur zwei von elf Morden aufgeklärt wurden. "Wenn Gewaltverbrechen geschehen, dann schaltet sich die Polizei meistens nicht ein und versucht auch nicht herauszufinden, wer diese verübt hat", sagt Jabareen. Die Zahl der Anklagen sei sehr gering verglichen mit der von Juden. "Es ist klar, dass die Vorkommnisse in unserer Gemeinschaft für die israelische Polizei auf der Prioritätenliste nicht oben stehen."

Polizisten wiederum beklagen, dass Ermittlungen in der arabischen Gemeinschaft schwierig seien, weil oft die Zusammenarbeit verweigert werde. Nach Angaben der israelischen Polizei wurden in diesem Jahr insgesamt 33 Morde aufgeklärt. Außerdem seien sieben Polizeistationen in arabischen Orten eröffnet worden. Premierminister Netanjahu versprach, dass mehr für die Sicherheit in den arabischen Gemeinden getan werde. Jabareen reicht das aber nicht: "Wir planen unsere Proteste fortzusetzen, bis wir wirkliche Veränderungen sehen und nicht nur Versprechen hören."

© SZ vom 08.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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