Israel:Gesten und Gefälligkeiten zum Abschied

Israel: Mike Pompeo spricht auf den Golan-Höhen.

Mike Pompeo spricht auf den Golan-Höhen.

(Foto: Patrick Semansky/AP)

Bei seinem Besuch in Nahost hat Mike Pompeo eine lange Tradition amerikanischer Politik über Bord geworfen: Als erster hochrangiger US-Politiker besuchte der scheidende Außenminister eine Siedlung im besetzten palästinensischen Gebiet.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Der amerikanische Außenminister Mike Pompeo ist viel auf Achse gewesen bei seinem dreitägigen Israel-Besuch. In eine Siedlung im Westjordanland hat es ihn verschlagen und hoch hinauf in den Norden auf den Golan. Am Ende blieb am Freitag sogar noch Zeit, ein Museum zu besuchen.

Nicht irgendeines natürlich, sondern das "Friends of Zion Museum", das ein amerikanischer Evangelikaler namens Mike Evans 2015 in Jerusalem eröffnet hat. Gezeigt wird hier auf vier Stockwerken, was christliche Freunde des jüdischen Staats für Israel geleistet haben - und womöglich hat der scheidende Chefdiplomat der Ära Trump auch schon einmal Ausschau gehalten, ob sich dort dereinst nicht noch ein Plätzchen finden könnte, um sein eigenes Wirken ins rechte Licht zu rücken. Schließlich hat Pompeo bei seinem Abschiedsbesuch Israels Regierung noch einmal mit politischen Gesten, Gefälligkeiten und Geschenken überhäuft.

Alles, was Premierminister Netanjahu sich gewünscht hatte - und noch mehr, liefert der Gast

Die Wehmut des Abschieds war auf beiden Seiten bereits am Donnerstag zu spüren, als Pompeo mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu vor die Presse trat. Netanjahu bedankte sich gleich ein halbes Dutzend Mal bei der abgewählten US-Regierung "für alles, was sie für Israel getan hat". Er erinnerte dabei unter anderem an die Aufkündigung des Atomabkommens mit Iran oder die Verlegung der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Alles gewichtige Akte. Doch Pompeo schaffte es tatsächlich, auf all das, was sich Netanjahu schon immer gewünscht hatte, noch Weiteres folgen zu lassen.

Gleich bei der Pressekonferenz kündigte er an, dass sein Außenministerium die unter dem Kürzel BDS agierende Boykottbewegung gegen Israel als "antisemitisch" einstufen und alle Unterstützung für nahestehende Organisationen streichen werde. "Das ist wundervoll", hauchte ihm Netanjahu von der Seite zu, auch wenn Pompeo offenließ, wer genau davon betroffen sein könnte. Aus Israel war bereits Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International und Human Rights Watch vorgeworfen worden, die BDS-Kampagne zu unterstützen.

Per Hubschrauber flog Pompeo anschließend zum Weingut Psagot im Westjordanland, um auf diesem kurzen Weg eine lange Tradition amerikanischer Außenpolitik über Bord zu werfen: Als erster hochrangiger US-Politiker besuchte er eine Siedlung im besetzten palästinensischen Gebiet. Es folgte die Ankündigung, Siedlerware in den USA künftig unter dem Label "Made in Israel" verkaufen zu dürfen.

Washington legitimiert noch schnell, was ein Großteil der internationalen Gemeinschaft als völkerrechtswidrig sieht

Aus Washingtoner Sicht ist dies ein weiterer Schritt zur Legitimierung der Siedlungen, die von einem Großteil der internationalen Gemeinschaft als völkerrechtswidrig angesehen werden. Um das Programm der Provokationen und Traditionsbrüche komplett zu machen, zeigte sich Pompeo schließlich auf den Golanhöhen, die Israel 1967 von Syrien erobert hatte. Präsident Trump hatte Israels Souveränität über das Gebiet im Vorjahr anerkannt.

Pompeo bezeichnete all diese Schritte als "realitätsbezogenen außenpolitischen Ansatz", im Klartext: Seine Regierung akzeptiert die von Israel geschaffenen Fakten. Ins Gästebuch des Weinguts in Psagot schrieb er: "Möge ich nicht der letzte Außenminister sein, der dieses wunderschöne Land besucht." Dabei weiß er gewiss, dass so schnell kein Minister der Regierung unter dem Präsidenten Joe Biden eine israelische Siedlung im besetzten Gebiet besuchen wird. Doch er weiß auch, dass diese neue Regierung seinen Besuch dort nicht ungeschehen machen kann.

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