„Danke Trump, danke Trump“, schallte es am Samstag über den Platz der Geiseln in Tel Aviv, auf dem seit Monaten für die Freilassung der Geiseln demonstriert wird. Hunderttausende Israelis waren zusammengekommen, es sollte die letzte Kundgebung gewesen sein, bevor die 48 von der Hamas vor zwei Jahren gekidnappten Menschen freikommen, 20 von ihnen sollen noch am Leben sein. Die Terrorgruppe hat angekündigt, sie bis Montagfrüh an drei verschiedenen Orten des Gazastreifens an Mitarbeiter des Roten Kreuzes zu übergeben. Menschenrechtler appellierten an die Hamas, dieses Mal auf Erniedrigungen der Geiseln zu verzichten. Die Medien sollen ausgeschlossen bleiben.
Bei der Demonstration in Tel Aviv wurde Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mehrfach ausgepfiffen. Ivanka Trump, die Tochter des US-Präsidenten Trump, die selbst Jüdin ist, wurde mit großem Jubel empfangen. Ihr Ehemann Jared Kushner ebenfalls, er gilt als einer der Architekten des 20-Punkte-Friedensplans, dessen erste Phase nun beginnt. Donald Trump selbst wird am Montag nach Israel reisen. „Er sieht euch, er hört euch, und er steht euch bei“, sagte seine Tochter zu den Angehörigen.
„Wir können durchatmen, wir haben wieder so etwas wie Hoffnung“, sagt ein Palästinenser im Gazastreifen
Nur etwa 70 Kilometer weiter, im Gazastreifen, zogen Hunderttausende Palästinenser in einem endlos wirkenden Marsch durch eine Landschaft apokalyptischer Zerstörung zurück in das, was einmal ihre Heimat war. „Wir können durchatmen, wir haben wieder so etwas wie Hoffnung, aber ja, wir sind immer noch unter Besatzung“, sagt ein Palästinenser der Süddeutschen Zeitung in einer Sprachnachricht.
In Gaza wurden am Wochenende keine Kämpfe mehr registriert. Die Regierung in Jerusalem kündigte aber an, das Tunnelsystem der Hamas zerstören zu wollen. Dies solle die israelische Armee tun, aber auch „mittels des internationalen Mechanismus, der unter der Führung und Aufsicht der USA entstehen wird“, sagte Verteidigungsminister Israel Katz. Dieser Mechanismus ist aber bisher weitgehend unklar.
Die israelische Armee räumt in der ersten Phase des Waffenstillstandes offenbar 47 Prozent des Gebietes. Wer das Machtvakuum füllen soll, wird in der kommenden Woche Gegenstand der weiteren Verhandlungen sein. Dabei sind enorme Hürden zu nehmen. Zwar scheint schwer vorstellbar, dass die Hamas oder die israelische Armee den Krieg fortsetzen. Aber die Hamas lehnt ihre Entwaffnung, die Israel zur Bedingung für einen dauerhaften Frieden macht, bislang ab. Der Trump-Plan sieht zudem eine Entmachtung der Terrororganisation vor sowie die Aufsicht der USA über den Wiederaufbau und die Verwaltung von Gaza. Dem hat die Hamas bislang nicht zugestimmt.
Montagnachmittag soll ein Abkommen über die erste Phase des Friedensprozesses in Ägypten unterzeichnet werden
Unklar ist auch, wann die sterblichen Überreste der wahrscheinlich 28 getöteten Geiseln übergeben werden. Die Hamas behauptet, bisher nicht alle lokalisiert zu haben. Israel muss im Gegenzug 1950 palästinensische Gefangene entlassen, davon 250 zu lebenslanger Haft verurteilte. Israel weigert sich allerdings, Marwan Barghuthi freizulassen, den populärsten Führer der Palästinenser, der vielen als Nelson Mandela des Nahen Ostens gilt, als eine Schlüsselfigur für einen Friedensprozess. Er gehört nicht der Hamas an, wurde aber wegen seiner Mittäterschaft an der Ermordung von fünf Israelis zu lebenslanger Haft verurteilt.
Am Montagvormittag, nach der Freilassung der Geiseln, will Donald Trump eine Rede vor der Knesset halten und sich danach mit den Familien der Geiseln treffen. Am Nachmittag soll er einer „Nahost-Friedenszeremonie“ in Ägypten beiwohnen und ein Abkommen über die erste Phase des Friedensprozesses unterzeichnen. Im Anschluss steht ein Gipfeltreffen zur Zukunft von Gaza auf dem Plan, an dem auch Bundeskanzler Friedrich Merz teilnehmen wird.
Deutschland war für seine lange sehr zurückhaltende Rolle in vielen Teilen der Welt heftig kritisiert worden. Merz hatte aber zuletzt deutliche Kritik an Israels Kriegsführung geäußert und im August entschieden, keine Waffen für den Krieg in Gaza mehr zu liefern. Nun will sich die Bundesregierung maßgeblich an den Kosten für den Wiederaufbau beteiligen. Etwa 80 Prozent aller Gebäude sollen zerstört oder beschädigt sein, das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen, die meisten Kinder haben seit zwei Jahren keine Schule mehr besucht.
Hilfsorganisationen zufolge stehen an den Grenzübergängen bereits 60 000 Tonnen Nahrungsmittel zur Einfahrt bereit. Nach Angaben aus Hamas-Kreisen sollen in einer ersten Phase etwa 600 Lastwagen pro Tag einfahren. Am Sonntag waren die ersten bereits unterwegs. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) teilt mit, es habe genügend Lebensmittel in der Region, um alle Menschen vor Ort für bis zu drei Monate zu versorgen, wenn Israel vollen Zugang gewähre. Journalistenverbände fordern von Israel weiterhin, den Gazastreifen für die Berichterstattung zu öffnen, was bisher nicht erlaubt ist.

