Israel-Gegner starten neue "Friedensflotte":Gaza 2011

In den nächsten Tagen sticht eine neue "Friedensflotte" mit Israel-Gegnern in See, die die Blockade des Gaza-Streifens durchbrechen wollen. Während Israel sich auf das Unternehmen vorbereitet, halten viele Palästinenser den materiellen Nutzen für überschaubar. Denn in Gaza hat sich im vergangenen Jahr viel verändert.

Sonja Zekri

Die Türken sind nicht dabei, aber sonst ziemlich alle. In den nächsten Tagen - wann genau, verraten die Organisatoren nicht - nimmt eine neue "Friedensflotte" Kurs auf Gaza. Zehn Schiffe, vielleicht mehr, an Bord Schriftsteller, Abgeordnete und Menschenrechtler aus Skandinavien, Spanien und Amerika, sogar ein Holocaust-Überlebender.

Israel-Gegner starten neue "Friedensflotte": Die Flagge der Mavi Marmara, auf der im vergangenen Jahr türkische Aktivisten starben. So weit will Israel es diesmal nicht kommen lassen.

Die Flagge der Mavi Marmara, auf der im vergangenen Jahr türkische Aktivisten starben. So weit will Israel es diesmal nicht kommen lassen.

(Foto: AP)

Wie im vergangenen Jahr wollen sie die Blockade des Gaza-Streifens wenn schon nicht durchbrechen, so doch durch ein spektakuläres Scheitern darauf aufmerksam machen. Im letzten Jahr starben neun türkische Aktivisten, als Israels Marine die Mavi Marmara enterte und die Passagiere mit Knüppeln und Messern zurückschlugen.

So weit will Israel es diesmal nicht kommen lassen. Seit Wochen trainiert die Marine, wie sie die Flotte geschickter auflaufen lassen kann. Aber wenn Außenminister Avigdor Lieberman droht, die Flotte befördere einen "harten Kern von Terror-Aktivisten" und lege es auf "Blut und viele Fernsehbilder" an, klingt das nicht kooperativ. Zwischendurch hatte die Pressestelle der Regierung Journalisten mit einem Einreiseverbot gedroht, sollten sie die Flotte begleiten, nahm davon aber später wieder Abstand. Verteidigungsminister Ehud Barak hat klare Anweisung gegeben, die Schiffe aufzubringen.

Auch die US-Regierung tadelte, das Unternehmen sei unverantwortlich, was die amerikanische Schriftstellerin Alice Walker harsch erwiderte: Offenbar habe man im Weißen Haus vergessen, dass auch die schwarzen Sklaven erst von "Menschen außerhalb Amerikas" befreit wurden.

Aufnahme in die Vereinten Nationen

Und die Betroffenen? Im Gaza-Streifen sind viele Palästinenser zwar dankbar für so viel Solidarität, halten den materiellen Nutzen aber für überschaubar. Gaza 2011 ist nicht mehr Gaza 2010. Israels Blockade war nach der Machtübernahme der militant islamistischen Hamas 2007 fast vollständig, seitdem ist sie aber gelockert worden. Gewiss, Ägypten hat den einzigen nicht von Israel kontrollierten Grenzübergang in Rafah mit viel Pomp vor ein paar Wochen geöffnet, um ihn dann zügig wieder zu schließen. Mehr als ein paar Hundert Palästinenser kommen pro Tag nicht über die Grenze. Aber über die israelischen Übergänge wird wieder so ziemlich alles transportiert - außer Baumaterial, weil die Hamas damit Bunker errichten könnte, so Israel.

Dennoch entstehen in Gaza Hochzeitspaläste, Wohnhäuser und Straßen - mit Zement und Kies aus den Tunneln vom ägyptischen Rafah nach Gaza. Die Arbeitslosigkeit ist gefallen, Firmen haben die Produktion wieder aufgenommen, auch wenn Israel den Export nach wie vor einschränkt.

Im September wollen die Palästinenser ihre Aufnahme in die Vereinten Nationen erreichen, was als riskanter Zug für die Region gilt. Eine Einigung der Hamas-Militanten mit der verfeindeten Fatah im Westjordanland hat Israel schon vor Wochen alarmiert. Inzwischen sollen sich Hamas und Fatah sogar auf einen gemeinsamen Premier für die Übergangsregierung geeinigt haben: Mohammed Mustafa, Geschäftsführer des palästinensischen Investmentfonds und ehemaliger Weltbank-Mitarbeiter. Aber das dürfte Israel nur noch mehr beunruhigen. Selbst wenn die Flotte palästinensische Gestade niemals erreicht - im nächsten halben Jahr kommt die Welt an Gaza kaum vorbei.

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