Gefeiert wurde im Schatten eines mächtigen Schutzwalls. Verteidigungsminister Benny Gantz war gekommen, Armeechef Aviv Kochavi und viele andere aus dem israelischen Sicherheitsapparat. Zufrieden blickten sie auf die in dieser Woche fertiggestellte neue militärische Grenzanlage rund um den palästinensischen Gazastreifen. Gelobt wurden der kreative Ansatz und die ausgefeilte Technologie. Versprochen wurde nichts weniger als eine "neue Realität" im Süden des Landes. Doch ob die in dreieinhalb Jahren Bauzeit für umgerechnet eine Milliarde Euro errichtete Gaza-Grenzbarriere Israel tatsächlich so viel sicherer macht, darf bezweifelt werden.
Gewiss ist der neue Grenzwall ein Bauwerk der Superlative, das es so noch nirgends auf der Welt gibt: Auf 65 Kilometer Länge sichert die Anlage die Grenze Israels zu dem palästinensischen Küstenstreifen ab und umfasst zudem noch eine militärische Absicherung auf der Meeresseite. 1200 Arbeiter waren am Werk, 220 000 Lastwagenladungen Zement wurden verbaut und 140 000 Tonnen Eisen und Stahl.
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Zu sehen ist ein sechs Meter hoher Grenzzaun. Doch wichtiger noch ist, was nicht zu sehen ist: eine im Untergrund errichtete Mauer, deren Tiefe ein militärisches Geheimnis bleibt. Dazu ein dichtes Netz an Sensoren, Kameras, Radaranlagen. Verteidigungsminister Gantz spricht von einer "eisernen Mauer". Ihr Ziel: den Tunnelbau unter der Gaza-Grenze hindurch unmöglich zu machen und damit der feindlichen Hamas ein strategisches Mittel zu nehmen.
Mit der Gefahr durch Tunnel hat Israels Armee schon seit dem Rückzug aus dem Gazastreifen 2005 zu kämpfen. 2006 gelang der Hamas ein spektakulärer Schlag, als ihre Kämpfer durch den Untergrund nach Israel eindrangen und den Soldaten Gilad Schalit als Geisel mitnahmen. Schalit wurde erst fünf Jahre später im Austausch gegen mehr als tausend palästinensische Gefangene freigelassen.
Im jüngsten Krieg um Gaza spielten Tunnel kaum noch eine Rolle
Im Gazakrieg von 2014 schließlich wurden die Tunnel als massive Bedrohung wahrgenommen. Die Hamas zeigte sich beim Bau so professionell, dass in Israel der bittere Witz kursierte, man solle die dabei eingesetzten Milizen nicht töten, sondern zum Bau der U-Bahn nach Tel Aviv bringen. Die Zerstörung der Tunnel machte einen gefahrvollen Bodeneinsatz nötig. Im Anschluss an den Krieg begannen die ersten Planungen für die unterirdische Barriere. Doch bei allem Stolz auf die Fertigstellung des Projekts warnte der für den Bau zuständige Brigadegeneral Eran Ofir bereits, dass es "für nichts im Leben eine 100-prozentige Garantie" gebe.
Tatsächlich wird der Gazastreifen nicht zur Ruhe kommen, solange die Hamas herrscht und die seit 2007 von Israel aufrechterhaltene Blockade die Verelendung der zwei Millionen Bewohner vorantreibt. Im jüngsten Krieg um Gaza spielten Tunnel unter der Grenze überdies kaum noch eine Rolle. Stattdessen stellte die Hamas Israel vor neue Herausforderungen mit dem Einsatz von Drohnen, deren Technologie aus Iran geliefert wird. Zusätzlich wurde das Raketenarsenal verbessert und das israelische Abwehrsystem namens Iron Dome immer wieder überfordert durch den gleichzeitigen Abschuss Dutzender Raketen.
Nach diesen Erfahrungen erscheint der teure neue Grenzwall fast als Abwehrmaßnahme gegen eine Bedrohung von gestern. Andernorts wachsen unterdessen neue Gefahren heran. Die Hamas schickt sich an, die Auseinandersetzung mit Israel vom Gazastreifen aus ins Westjordanland zu verlegen, wo nach Angaben der israelischen Sicherheitskräfte gerade erst ein umfängliches Terrornetzwerk ausgehoben wurde. Zudem lauert an Israels Nordgrenze noch ein weitaus gefährlicherer Gegner: die von Iran unterstützte libanesische Hisbollah.
Brigadegeneral Ofir, der gerade den Grenzwall um den Gazastreifen vollendet hat, ist bereits in den Norden versetzt worden. Er soll an der Grenze zu Libanon nun eine ähnliche Barriere errichten.