"Schild und Pfeil" hat Israels Armee die jüngste Militäraktion im Gazastreifen getauft, und wenn solche Operationen einen offiziellen Namen bekommen, drohen stets größere Auseinandersetzungen. Zum Auftakt wurden in der Nacht zum Dienstag bei Luftangriffen gezielt drei Kommandeure des Islamischen Dschihad getötet. Palästinensischen Angaben zufolge gab es noch mindestens zehn weitere Tote, darunter Frauen und Kinder, sowie zahlreiche Verletzte. Militante Gruppen in Gaza einschließlich der dort herrschenden Hamas drohten umgehend mit Vergeltung.
Israels Führung bezeichnete die Angriffe, bei denen nach Armeeangaben 40 Flugzeuge im Einsatz waren, als Antwort auf einen heftigen Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen in der vorigen Woche. Mehr als 100 Geschosse waren auf Gemeinden im Grenzgebiet gefeuert worden, nachdem ein Mitglied des Islamischen Dschihad in israelischer Haft einem Hungerstreik erlegen war. Die aktuellen israelischen Angriffe kamen dennoch überraschend, nachdem vorige Woche eine Waffenruhe vereinbart wurde.
Von der Reaktion der Hamas hängt ab, ob der Schlagabtausch zum Krieg eskaliert
Während in Gaza am Dienstag die Toten zu Grabe getragen wurden, erschallten die Rufe nach Rache immer lauter. Ein Sprecher des Islamischen Dschihad erklärte, Israel habe "alle Initiativen der Vermittler ignoriert". Man werde den Tod der drei Führungsmitglieder "standhaft und mutig" beantworten. Der Chef des Hamas-Politbüros Ismail Hanija drohte, "der Feind hat einen Fehler gemacht und wird einen Preis für sein Verbrechen zahlen".
Von der Hamas wird es abhängen, ob dieser gewaltsame Schlagabtausch tatsächlich zu einem erneuten Krieg um Gaza eskaliert, wie er zuletzt im Sommer 2021 ausgefochten worden war. Israelischen Berichten zufolge war der Hamas-Führung über ägyptische Vermittler zugetragen worden, dass sich die aktuellen Angriffe auf den Islamischen Dschihad beschränken würden.
In zwei ähnlichen Fällen in der jüngeren Vergangenheit hatte sich die Hamas aus den Auseinandersetzungen herausgehalten. In der vorigen Woche allerdings hatte sie das Raketenfeuer des Islamischen Dschihad nicht nur geduldet, sondern in einer gemeinsamen Erklärung unterstützt. Am Dienstag hieß es von Hanija: "Der Widerstand ist vereint."
In Israel wurden deshalb von Dienstagmorgen an Vorbereitungen für eine längere militärische Auseinandersetzung getroffen. Im Grenzgebiet zum Gazastreifen wurden Straßen und auch Strände gesperrt, der Zugverkehr war eingeschränkt, Schulen blieben geschlossen. In einem Umkreis von 40 Kilometern wurden die Bewohner aufgefordert, bis auf Weiteres in der Nähe von Schutzbunkern zu bleiben.
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Mit Blick darauf, dass vor wenigen Wochen zeitgleich von palästinensischen Gruppen Raketen aus Gaza, Libanon und Syrien auf Israel abgefeuert worden waren, erklärte Verteidigungsminister Joav Gallant: "Wir müssen uns auf jedes Szenario einstellen. Die Sicherheitskräfte sind darauf vorbereitet, jede Front zu verteidigen."
Ausgeführt wird die Militäroperation "Schild und Pfeil" in einer Zeit großer innenpolitischer Anspannung in Israel. Premierminister Benjamin Netanjahu steht nicht nur durch die Massenproteste gegen die geplante Justizreform unter Druck, sondern auch vonseiten seines rechtsextremen Koalitionspartners Itamar Ben-Gvir. Der hatte vorige Woche Israels Antwort auf den Raketenbeschuss aus Gaza als zu "lasch" kritisiert und aus Protest die Regierungsarbeit boykottiert. Nun lobte er die Luftangriffe als "guten Anfang".