NahostIsrael will Gaza nun auf Dauer besetzen

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Israels Regierung beschließt, die Offensive im Gazastreifen zu verstärken, um das Gebiet einzunehmen: Israelische Soldaten richten am Montag eine Stellung nahe der Grenze ein.
Israels Regierung beschließt, die Offensive im Gazastreifen zu verstärken, um das Gebiet einzunehmen: Israelische Soldaten richten am Montag eine Stellung nahe der Grenze ein. (Foto: MENAHEM KAHANA/AFP)

Das Sicherheitskabinett in Jerusalem beschließt, dass das israelische Militär das Gebiet erobern und unter Kontrolle halten soll.

Von Kristiana Ludwig, Tel Aviv

Die Rechtsextremen im Kabinett des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu träumen schon lange davon, wieder jüdische Siedlungen im Gazastreifen zu errichten. „Wir werden Gaza endlich erobern. Wir haben keine Angst mehr vor dem Wort Besatzung“, sagte etwa der nationalreligiöse Finanzminister Bezalel Smotrich während einer Online-Konferenz für Siedler am Montag. Netanjahu hat diese Rhetorik nun übernommen und bekannt gegeben, dass sein Sicherheitskabinett beschlossen habe, Gaza auf Dauer mit israelischem Militär zu besetzen – jedenfalls so lange, wie die islamistische Palästinenserorganisation Hamas nicht geschlagen und die 59 verbliebenen Geiseln nicht aus ihren Händen befreit seien.

Bereits am Wochenende war bekannt geworden, dass die israelische Armee Zehntausende Reservisten einberufen will, die bei den Militäreinsätzen in Syrien, Libanon und Gaza unterstützen sollen. In Gaza, so ist aus israelischen Sicherheitskreisen zu hören, soll künftig auch in solchen Gebieten gekämpft werden, in denen bislang die Kampfhandlungen und auch die Zerstörung weniger massiv waren als in anderen. Gemeint ist vor allem ein Gebiet im Zentrum des dicht besiedelten Küstenstreifens. Die Menschen, die hier leben, sollen vor Beginn der Operationen Evakuierungsaufrufe erhalten.

Allerdings stellt sich die Frage, wohin sie dann fliehen sollen: 70 Prozent der Fläche Gazas sind nach UN-Angaben mittlerweile entweder zu No-go-Zonen oder Evakuierungszonen erklärt worden. Premier Netanjahu sprach am Montag davon, dass die Anwohner des Gazastreifens zu ihrem eigenen Schutz umgesiedelt würden. Der Beschluss, die Offensive im Gazastreifen auszuweiten, sei auf Empfehlung des Generalstabschefs Eyal Zamir erfolgt, um die Hamas zu zerschlagen, sagte Netanjahu.

Ein Zeitfenster bis Trumps Nahost-Besuch

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin nannte die Berichte zu den Eroberungsplänen „besorgniserregend“. Das Ministerium lehnt eine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens nach eigenen Angaben ab. „Gaza gehört den Palästinenserinnen und Palästinensern“, sagte er. Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hatte bereits im vergangenen Monat gesagt, dass die Armee keine Gebiete mehr räumen werde – anders als in der Vergangenheit.

Die offiziellen Ziele Israels im Gaza-Krieg sind neben dem Kampf gegen die Hamas die Befreiung der Geiseln, die während des Angriffs auf Israel am 7. Oktober 2023 entführt wurden. Mehr als 20 von ihnen sollen noch am Leben sein, viele wurden im Rahmen eines Austauschs gegen palästinensische Gefangene während der Waffenruhe Anfang des Jahres zurückgebracht. In Israel lehnt eine Mehrheit der Bevölkerung mittlerweile den Krieg ab und spricht sich für eine Verhandlungslösung aus.

Doch bislang stecken die indirekten Gespräche darüber in einer Sackgasse. Die Hamas fordert einen Abzug israelischer Truppen aus Gaza, Israel will, dass die Hamas ihre Waffen abgibt. Auf beiden Seiten gibt es dazu keine Bereitschaft. Die Ankündigungen einer neuen, großflächigen Operation in Gaza können daher auch als weiteres Druckmittel Israels in diesen Verhandlungen verstanden werden. In der kommenden Woche reist US-Präsident Donald Trump nach Saudi-Arabien. Seine Reise wird in Israel als ein mögliches Zeitfenster betrachtet, in dem eine Verhandlungslösung doch noch zustande kommen könnte.

Ein weitere, ebenfalls hochumstrittene Maßnahme Israels, die nach offiziellen Angaben dem Druck auf die Hamas dienen sollte, ist die vollständige Blockade von Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Hilfsorganisationen berichten von einer hungernden Zivilbevölkerung. Offenbar soll es nach dem Beschluss des Sicherheitskabinetts zumindest hier eine Erleichterung für die Palästinenserinnen und Palästinenser geben. Sobald die neue Offensive beginne, so wird berichtet, solle wieder humanitäre Hilfe nach Gaza gelangen – allerdings über private Firmen, wie es heißt. Ziel sei, dass die Güter nicht in die Hände der Hamas fielen.

Laut UN sind knapp 70 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen in Gaza beschädigt, 95 Prozent der Nutztiere in Gaza seien tot. Mehr als 90 Prozent der Bewohner Gazas seien von Mangelernährung bedroht, ihnen stünde auch nicht genügend Trinkwasser zur Verfügung. Mehr als 52 000 Menschen seien seit Beginn des Krieges in Gaza ums Leben gekommen.

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