Krieg in Nahost:Bidens Ultimatum an Israel verstreicht folgenlos

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Israels Premier Benjamin Netanjahu zu Besuch bei Joe Biden im Weißen Haus in Washington im Juli 2025. (Foto: Elizabeth Frantz/Reuters)

Der US-Präsident hat die israelische Regierung immer wieder gemahnt, mehr Hilfe für die Menschen in Gaza zu ermöglichen. Zuletzt drohte er sogar mit geringerer Militärhilfe – nur eine von mehreren Forderungen ohne Konsequenzen.

Von Bernd Dörries, Kairo

Vor einem Monat hat die US-Regierung Israel dazu aufgefordert, innerhalb von 30 Tagen erheblich mehr zu tun, um die humanitäre Lage in Gaza zu verbessern, andernfalls könnten die USA gezwungen sein, ihre militärische Unterstützung einzuschränken. Der Anlass ist, dass die Zahl der Hilfslieferungen seit März um 50 Prozent abgenommen hat.

Konkret fordern die USA unter anderem, dass mindestens 350 Lkws mit Hilfslieferungen täglich nach Gaza gelangen. Weitere Bedingung für die Fortsetzung der Militärhilfe: die Aufhebung von Evakuierungsbefehlen für palästinensische Zivilisten. Keiner dieser Forderungen ist Israel zum Stichtag am 12. November nachgekommen.

Hilfsorganisationen sprechen von „apokalyptischen Zuständen“

Zuletzt seien durchschnittlich 42 Lastwagen in den Küstenstreifen gefahren, berichten Hilfsorganisationen. „Die Menschen in Gaza werden ausgehungert“, hieß es in einem gemeinsamen Bericht von acht Organisationen, darunter Oxfam und Care. Sie sprechen von „apokalyptischen Zuständen“.

Dennoch verzichtet die US-Regierung auf die angedrohten Konsequenzen, teilte das Außenministerium am Dienstagabend mit. Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass die USA seit einem Jahr mehr Hilfe für Gaza forderten, ohne dass sich die Lage nennenswert verbessert hätte, und dass Washington keine Konsequenzen ziehe, wenn dort Zivilisten sterben. Nach palästinensischen Angaben wurden bislang mehr als 43 000 Menschen durch Israel getötet. Nach UN-Schätzungen sollen 70 Prozent dieser Opfer Kinder und Frauen sein.

Im Folgenden eine Auswahl der Forderungen von Präsident Joe Biden an Israel.

 18. 10. 2023: „Das Leben der Zivilbevölkerung muss geschützt werden und die Bedürftigen müssen dringend Hilfe erhalten.“

29. 10.: In einem Telefonat mit Regierungschef Benjamin Netanjahu fordert Biden eine „deutliche und sofortige“ Erhöhung der humanitären Hilfe für die Zivilbevölkerung. „Israel muss alles in seiner Macht Stehende tun, um unschuldige Zivilisten zu schützen, so schwierig das auch sein mag.“

11. 11.: Biden fordert von Israel einen „umsetzbaren Plan, um die Sicherheit der mehr als eine Million Flüchtlinge zu gewährleisten“.

7. 12.: Biden sieht „die dringende Notwendigkeit, die Zivilbevölkerung zu schützen“.

12. 12.: Biden sagt, Israel habe „jedes Recht“, sich gegen die Hamas zu wehren. „Aber sie beginnen, die Unterstützung wegen der wahllosen Bombenangriffe zu verlieren.“

„Viele unschuldige Menschen sterben. Es muss aufhören.“

8. 2. 2024: „Ich habe wirklich hart – wirklich hart – darauf gedrängt, humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen“, beteuert der US-Präsident. „Viele unschuldige Menschen hungern. Viele unschuldige Menschen sterben. Es muss aufhören.“

1. 3.: „Die Hilfe, die nach Gaza fließt, reicht bei Weitem nicht aus“, sagt Biden. Es gebe nun „keine Ausreden“ mehr.

9. 3.: „Israel muss den unschuldigen Leben, die durch die ergriffenen Maßnahmen verloren gehen, mehr Aufmerksamkeit schenken.“

Nach einem israelischen Luftangriff auf ein Gebäude im Gazastreifen im November 2024. (Foto: Ramadan Abed/Reuters)

2. 4.: „Ich bin empört und untröstlich über den Tod von sieben humanitären Helfern der World Central Kitchen, darunter ein Amerikaner, gestern in Gaza. Noch tragischer ist, dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelt“, kritisiert Biden. „Dieser Konflikt ist einer der schlimmsten der jüngsten Zeit, was die Zahl der getöteten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen angeht. Dies ist einer der Hauptgründe, warum die Verteilung der humanitären Hilfe im Gazastreifen so schwierig war – weil Israel nicht genug getan hat, um die Helfer zu schützen.“

3. 4.: „Israel hat nicht genug getan, um die Helfer zu schützen, die versuchen, die Zivilbevölkerung mit dringend benötigter Hilfe zu versorgen.“

4. 4.: US-Präsident Joe Biden fordert Israels Premierminister Benjamin Netanjahu dazu auf, konkrete Schritte zu unternehmen, um das Leid für die Menschen im Gazastreifen zu verringern. In einem Telefonat spricht er auch die Warnung aus, dass die künftige US-Politik in Bezug auf den Gazastreifen davon abhänge, wie Israel diese Maßnahmen umsetze.

Der Präsident kritisiert den Einsatz bestimmter Bomben, die USA liefern sie weiter

10. 4.: „Was ich also fordere, ist, dass die Israelis nun zu einem Waffen­stillstand bereit sind, um die nächsten sechs, acht Wochen den vollständigen Zugang zu allen Nahrungs­mitteln und Medikamenten zu ermöglichen.“

28. 4.: In einem Telefonat mit Benjamin Netanjahu drängt der US-Präsident darauf, die Hilfen für Gaza auszuweiten.

9. 5.: Biden kündigt an, die Lieferung sogenannter 2000-Pfund-Bomben zu überdenken. Wenn Israels Soldaten „nach Rafah gehen, werde ich keine Waffen liefern“, sagt er. Dort befinden sich zu diesem Zeitpunkt etwa eine Million Flüchtlinge. Israel greift die Stadt im Süden von Gaza dennoch an. Wenig später genehmigt der Kongress eine weitere Waffenlieferung. Ein Sprecher der US-Regierung sagt, es gebe „keine mathematische Formel“, wann eine rote Linie überschritten sei.

25. 5.: Da Israel weiter nicht ausreichend humanitäre Hilfe zulässt, bauen die USA einen Landungspier, über den aus Zypern Lebensmittel nach Gaza gebracht werden sollen. Biden lobt den Bau „in Rekordzeit“, der „lebensrettende Hilfe bringen wird“. Wenige Wochen später wird der Pier nach mehreren Sturmschäden außer Betrieb gesetzt.

11. 7.: „Rückblickend gesehen hätte ich die Israelis gerne von vielen Dingen überzeugt“, sagt Biden.

15. 7.: „Übrigens bin ich der Typ, der mehr für die palästinensische Gemeinschaft getan hat als jeder andere“, sagt Biden in einem Radiointerview.

Seit dem 7. Oktober hat Israel US-Waffenhilfe in Höhe von 17,9 Milliarden Dollar erhalten

3. 9.: Der Präsident kritisiert, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unternehme nicht genug, um einen Geisel-Deal und einen Waffenstillstand mit der Hamas zu erreichen, durch den auch mehr Hilfe nach Gaza kommen könnte.

13. 10. Die USA schicken einen Brief an die israelische Regierung, in dem sie mehr Hilfe für Gaza fordern. Ansonsten könnten Waffenlieferungen eingestellt werden. Gemäß Abschnitt 620I des US Foreign Assistance Act müssen die USA die Sicherheitshilfe für Regierungen einstellen, die die humanitäre Hilfe der USA einschränken.

5. 11.: „Bis heute hat sich die Situation nicht wesentlich geändert“, sagt der Sprecher des US-Außenministeriums. „Wenn man sich die im Brief dargelegten Empfehlungen anschaut, wird deutlich, dass diese nicht erfüllt wurden.“

12.11.: Die US-Regierung lässt das selbst gesetzte Ultimatum ohne Konsequenzen verstreichen.

Israel hat Berechnungen der Brown University in Providence zufolge seit dem 7. Oktober US-Waffenhilfe in Höhe von 17,9 Milliarden US-Dollar bekommen.

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