Süddeutsche Zeitung

Israel:Frauen-Fasten

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Sie campieren direkt vor der Residenz von Premier Netanjahu, und sie wollen 50 Tage bleiben. Solange dauerte vor einem Jahr der Gaza-Krieg, solange wollen Israelinnen für einen neuen Politikstil demonstrieren - fastend und ganz in Weiß.

Von Ronen Steinke

Im antiken Sparta war es die Liebe, welche die Frauen ihren Männern verweigerten. Erst der Sex-Streik brachte diese zur Vernunft, die Verweigerung der Frauen kühlte die Kriegslust der Männer herunter. In Aristophanes' pazifistischer Komödie "Lysistrata" ist das ein Erfolgsrezept, das ganze Armeen zum Innehalten bringen kann. Im westafrikanischen Staat Liberia hat die Idee jüngst schon Nachahmerinnen gefunden, 2011 gab es dafür den Friedensnobelpreis. Was also könnte in Israel passieren, wenn Frauen es mal probierten? "Frauen sind nicht unbedingt klüger", sagt die israelische Schriftstellerin Zeruya Shalev, 56, in Deutschland bekannt durch ihre Romane wie "Liebesleben" oder "Für den Rest des Lebens". "Ich mag keine dümmlichen Generalisierungen. Aber manchmal sind wir toleranter, weniger aggressiv, darin liegt eine Chance."

Die Schriftstellerin ist das bekannteste Gesicht einer neuen Protestkampagne, die in diesen Tagen auf sich aufmerksam macht: Frauen campieren direkt vor der Residenz des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu. 50 Tage lang wollen sie bleiben - genauso lang wie der Gaza-Krieg vor einem Jahr dauerte. Die Frauen tragen Weiß. Sie verweigern zwar nicht die Liebe. Aber das Essen. Sie fasten abwechselnd, jede von ihnen 24 Stunden lang, noch bis zum 26. August. Der Gaza-Krieg im vergangenen Sommer tobte vom 8. Juli bis 26. August.

Premier Netanjahu soll auf dem Weg zum Amtssitz in Gespräche gezogen werden

"Die öffentliche Diskussion in Israel ist vulgär geworden", erklärt Zeruya Shalev, das stoße immer mehr Menschen ab. Selbst im Parlament würden sich Rechte und Linke beleidigen, sie redeten übereinander, als seien sie Feinde. "Auch wenn ich eine Linke bin, möchte ich mit Rechten nach Gemeinsamkeiten suchen, um voranzukommen." Das ist die Idee der Frauen in Weiß, "Women wage peace" heißt die Bewegung: Wenn Premier Netanjahu morgens aus seinem Wohnsitz kommt und zu seinem Dienstsitz gefahren wird, dann soll er sich "eingeladen" fühlen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. So sagt das die Autorin Shalev. "Wir wollen ihn unterstützen, Mut für neue Wege zu finden." Darüber hinaus ist die Agenda der Frauen offen.

In Netanjahus neuer Rechts-Regierung, seit Mai im Amt, sitzen so viele Frauen wie noch nie: vier. Die übrigen 22 Minister- und Vizeminister-Posten sind an Männer vergeben. Gerade unter den weiblichen Kabinettsmitgliedern sind allerdings profilierte Hardlinerinnen. Justizministerin Ajelet Schaked von der Siedlerpartei etwa, Kulturministerin Miri Regev, die vormals Chef-Zensorin der Armee war, oder Tzipi Hotovely vom rechten Rand des Likud, die jetzt kommissarisch das Außenministerium führt. Nicht eben eine sanfte Riege.

"Wie gesagt", meint Zeruya Shalev, "ich mag keine Generalisierungen." Was Israel jetzt aber brauche: "Ein Gespräch statt ein Geschrei."

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SZ vom 28.07.2015
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