Nach dem Tod von Hallel Ariel:Israel macht Facebook für Gewalt verantwortlich

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Im Herbst 2015 kam es immer wieder zu Straßenschlachten zwischen Palästinensern und der israelischen Polizei. (Foto: AFP)
  • Facebook wird in Israel seit Längerem vorgeworfen, zu einer Plattform für den Hass auf Juden und für Aufrufe zur Gewalt geworden zu sein.
  • Israels Regierung will sich künftig nicht mehr darauf verlassen, dass Facebook als anstößig gemeldete Inhalte nach Gutdünken selber löscht.
  • Manche vermuten hinter dem Angriff auf die sozialen Medien auch ein Ablenkungsmanöver der Regierung.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Eine abscheuliche Tat ist es gewesen, und die Aufregung war groß in Israel: Schlafend in ihrem Bett wurde die 13-jährige Hallel Ariel in einer Siedlung nahe Hebron von einem jungen Palästinenser erstochen. Der Täter wurde sogleich von einem Wachmann erschossen, doch bei der Suche nach den Hintermännern ging der für innere Sicherheit zuständige Minister Gilad Erdan weit über das Westjordanland hinaus. Er landet in Kalifornien, im Silicon Valley, bei Facebook. Der Konzern sei zu einem "Monster" mutiert, klagt Erdan. "Das Blut von Hallel klebt an den Händen von Mark Zuckerberg." Mit einem "Facebook-Gesetz" will er nun dem sozialen Netzwerk und seinem Gründer in die Parade fahren.

Facebook wird in Israel schon seit Längerem vorgeworfen, zu einer Plattform für den Hass auf Juden und für Aufrufe zur Gewalt geworden zu sein. Tatsächlich kann man hier alles finden von Schmähgesängen bis zu detaillierten Anleitungen für jene Messerattacken, die Israel seit Monaten in Atem halten. Die jüngste Gewaltwelle wird deshalb schon als "Facebook-Intifada" bezeichnet. Auch der Attentäter von Hebron hatte seine Mordabsichten auf seiner Facebook-Seite angekündigt.

Facebook unter Antisemitismus-Verdacht

Für die israelische Regierung ist das nun Anlass zu einem Frontalangriff auf Facebook. Kritik an der Laissez-faire-Haltung gegenüber Hasskommentaren hat es ja auch schon in Europa gegeben, Bundesjustizminister Heiko Maas zum Beispiel hatte im Vorjahr die Löschpraxis des Unternehmens als "Farce" bezeichnet. In Israel aber steht Facebook sogar explizit unter Antisemitismus-Verdacht. Zur Beweisführung hatte eine proisraelische Organisation vor einigen Monaten zwei Facebook-Seiten erschaffen, die eine hieß "Stoppt die Palästinenser", die andere "Stoppt Israel". Auf beiden Seiten wurde vergleichbare Hetze verbreitet wie "Tod allen Juden" oder "Tod allen Arabern". Dann wurden die Inhalte gemeldet - und den Initiatoren zufolge verschwand allein die antipalästinensische Seite sofort aus dem Netz.

Nun hat Erdan noch die direkte Verbindung von Facebook-Einträgen, die zu Gewalt anstiften, zu konkreten Terrortaten gezogen. Er wirft dem sozialen Netzwerk nicht nur mangelnde Kontrolle und "zu hohe Hürden für die Entfernung von Inhalten" vor, sondern eine "Sabotage der Arbeit der israelischen Polizei". Bei Anfragen zu verdächtigen Nutzern im Westjordanland würde das Unternehmen "nicht kooperieren". Der Grund: Facebook erkennt die israelische Kontrolle über die besetzten palästinensischen Gebiete nicht an.

Manche vermuten ein Ablenkungsmanöver der Regierung

Der erboste Erdan fordert nun die Bürger Israels auf, den Facebook-Gründer Zuckerberg persönlich "mit Forderungen zu überfluten, die Plattform, die er gegründet hat und mit der er Milliarden verdient, zu überwachen". Vor allem aber will sich Israels Regierung künftig nicht mehr darauf verlassen, dass Facebook als anstößig gemeldete Inhalte nach Gutdünken selber löscht. Das bisherige Procedere, bei dem "Moderatoren" nach internen Regeln über die Zulässigkeit entscheiden, gilt als ausgesprochen intransparent. Deshalb will Israel Facebook sowie auch andere Plattformen wie Twitter und Youtube künftig per Gesetz zur sofortigen Löschung solcher Inhalte zwingen, die als Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingestuft werden.

In dem ansonsten ausgesprochen technologieaffinen Israel kann sich der Minister bei diesem Vorhaben breiter Unterstützung sicher sein. Doch aus der Opposition gibt es auch Kritik. "Wenn man Facebook beschuldigt, an dem mörderischen Terror schuld zu sein, dann ist das so, wie wenn man der Erfindung des Schreibens die Schuld gibt, weil die Terroristen sich mit geschriebenen Nachrichten mitteilen", argumentierte die frühere Arbeitspartei-Chefin Shelly Yachimovich.

Manche vermuten hinter dem Angriff auf die sozialen Medien auch ein Ablenkungsmanöver der Regierung, die bislang kein Mittel zur Eindämmung der Gewaltwelle gefunden hat. Andere halten die umgehende Löschung solcher Einträge für kontraproduktiv, weil dadurch Ermittlungsarbeiten behindert werden könnten. In jedem Fall wird die Debatte nun beherzt weitergeführt in Israel - gern auch via Facebook, das für einen Minister wie Gilad Erdan natürlich ein viel genutztes Mittel zur Kommunikation mit den Wählern ist.

© SZ vom 11.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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