Süddeutsche Zeitung

Israel:Erst Ruhe, dann Raketen

Der Islamische Dschihad feuert weiter auf Israel, die im Gazastreifen regierende Hamas hält sich hingegen noch zurück - um einen vollen Konflikt zu vermeiden, wollen die UN und Ägypten nun vermitteln.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Im Konflikt zwischen der im Gazastreifen agierenden Gruppe Islamischer Dschihad und Israel bemühten sich am Mittwoch Ägypten und die UN, einen Waffenstillstand zu erreichen. Bis zum frühen Nachmittag hatte sich die im Gazastreifen regierende Hamas nicht an den Raketenangriffen beteiligt, womit eine größere Eskalation vermieden wurde. Auch die israelische Armee hatte bei anderen Gelegenheiten heftiger auf Raketenhagel aus dem Gazastreifen reagiert. Allerdings drohte die Hamas, ihre Rückhaltung aufzugeben, sollte die israelische Armee weiter Ziele im Gazastreifen bombardieren. Die israelische Armee wiederum verwies auf die anhaltenden Angriffe aus dem Gazastreifen, auf die sie reagiere.

So drehte sich die Eskalationsspirale weiter: Nach einer ruhigen Nacht begann am Mittwoch mit Tagesanbruch wieder der Raketenhagel. Nicht nur in den israelischen Orten rund um den Gazastreifen gab es Alarm. Auch in Latrun - einem Ort zwischen Jerusalem und Tel Aviv - waren Explosionen zu hören, ausgelöst durch das Raketenabwehrsystem Iron Dome (Eisenkuppel). Bis zum späten Mittwochnachmittag zählte die israelische Armee 360 Raketen. Vorsorglich blieben den zweiten Tag in Folge Schulen rund um den Gazastreifen und im Zentralraum Israel geschlossen. Auch im Gazastreifen gab es keinen Unterricht.

Die israelische Armee konzentrierte sich bei ihren Angriffen laut eigenen Angaben auf Aktivisten des Islamischen Dschihad im Gazastreifen. Nach palästinensischen Angaben wurden auch drei Kinder getötet, die Zahl der Toten stieg demnach bis Mittwochnachmittag auf insgesamt 24, ein Teil von ihnen wurde als Mitglieder der Al-Quds-Brigaden identifiziert, des militärischen Arms des Islamischen Dschihad. 69 Menschen wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums verletzt. Auch in den israelischen Orten entlang des Gazastreifens gab es rund zwei Dutzend Verletzte.

Auslöser der jüngsten Gewaltwelle war in der Nacht zum Dienstag die gezielte Tötung des Kommandanten des Islamischen Dschihad, Baha Abu al-Ata, eine gemeinsame Aktion des israelischen Geheimdienstes und der Armee. Dem Vernehmen nach sollen die Ägypter in den vergangenen Wochen versucht haben, den Islamischen Dschihad und explizit al-Ata davon abzubringen, mit dem Abschuss einzelner Raketen den seit Mai geltenden Waffenstillstand zu untergraben. Als Geste des guten Willens soll Ägypten auch inhaftierte Kämpfer des Islamischen Dschihad freigelassen haben. Mit seinen Aktionen griff der Islamische Dschihad auch die regierende Hamas an und untergrub ihre Autorität. Seine von Iran unterstützten Kämpfer bilden die zweitgrößte Gruppe im Gazastreifen. Für die jüngste Welle von Raketenangriffen übernahm auch eine kleinere Gruppe, die Mudschaheddin, die Verantwortung. Nach Einschätzung israelischer Militärexperten verfügen Hamas und Islamischer Dschihad über rund 20 000 Raketen.

Die israelische Armee, die bisher stets die Hamas für jegliche Raketenangriffe verantwortlich machte, nahm diesmal die im Gazastreifen regierende Gruppe expliziert von der Verantwortung aus und appellierte an sie, weiter Zurückhaltung zu wahren. Auch in Israel wird die Hamas inzwischen als das kleinere Übel angesehen angesichts weitaus radikalerer Gruppen, die sich nicht an getroffene Vereinbarungen halten.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2019
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