Israel erklärt Schriftsteller zur persona non grata:Befremden über Einreiseverbot für Grass

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Der Kritik an Günter Grass' Gedicht folgt die Verwunderung über Israels Einreiseverbot für den Schriftsteller: Vertreter aller im Bundestag vertretenen Fraktionen kritisieren den Bann der israelischen Regierung gegen den Literaturnobelpreisträger. Die Entscheidung sei "mittelalterlich", "kontraproduktiv" und "eher geeignet, Israel international zu schaden."

Das Einreiseverbot für Günter Grass nach Israel stößt in Deutschland parteiübergreifend auf Kritik. Vertreter aus dem schwarz-gelben Regierungslager, aber auch aus der Opposition im Bundestag zeigten sich irritiert über den Bann, den die Regierung in Jerusalem gegen den Literaturnobelpreisträger ausgesprochen hat.

Chef der Schas-Partei und Innenminister von Israel: Eli Jischai (l.) neben dem geistigen Oberhaupt der Ultra-Orthodoxen Rabbi Ovadia Yoseph (r.) (Archivbild aus dem Jahr 2000) (Foto: DPA)

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nannte das Einreiseverbot völlig überzogen. Der Welt sagte er: "Ich kann mir kaum vorstellen, dass Herr Grass nach dem deutlichen Unverständnis in Deutschland Interesse hätte, sich in Israel zu zeigen." Ruprecht Polenz, CDU-Politiker und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, zeigt sich über das Verhalten der israelischen Regierung in der Causa Grass ebenfalls befremdet. Der Schriftsteller sei für sein Gedicht "zu Recht scharf kritisiert worden", schrieb Polenz auf seiner Facebook-Seite. Doch "die Reaktionen der israelischen Regierung (...) halte ich für deutlich überzogen und eher geeignet, Israel international zu schaden."

Ähnlich sieht das der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler. Der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt nannte das Einreiseverbot falsch und kontraproduktiv. "Das Einreiseverbot bestätigt ungewollt die Tabu-These von Grass und bugsiert die ganze Causa in die israelische Innenpolitik", sagte der Sozialdemokrat dem Tagesspiegel.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, sagte: "Am Ende reden alle über das Einreiseverbot und nicht mehr über den Inhalt von Grass." Das Verbot sei offensichtlich nur innenpolitisch motiviert. Diskutieren müsse man darüber, dass Grass ignorant sei gegenüber der tatsächlichen Bedrohung Israels durch Iran. "Das muss man doch sehen, dass Iran das Existenzrecht Israels infrage stellt." Künast warf Grass vor, er spiele sich mit seiner Kritik an der israelischen Politik als Tabubrecher auf. Doch damit komme er viel zu spät.

Der außenpolitische Sprecher der Linke-Bundestagsfraktion, Jan van Aken, nannte das Einreiseverbot und die Forderung, Grass den Literaturnobelpreis abzuerkennen, völlig überzogen und undemokratisch. Es helfe nicht, wenn man Grass mit einem "mittelalterlichen Bann" belege. Die Bundesregierung solle gegenüber Israel auf eine Aufhebung des Einreiseverbots drängen, forderte van Aken.

Allerdings kritisierte auch der Linken-Politiker den Literaturnobelpreisträger: "Natürlich hätte Günter Grass die berechtigte Kritik an Iran erwähnen müssen, die zutiefst anti-israelische Propaganda aus Teheran, die mangelnde Kooperation mit den UN-Inspektoren. Und die Behauptung, das Israel das iranische Volk 'auslöschen' wolle, ist schlicht falsch."

Mitleid mit Grass

Grass hatte Israel in seinem in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten Gedicht Was gesagt werden muss vorgeworfen, mit seinen Atomwaffen den Weltfrieden zu gefährden. Israel erklärte den Literaturnobelpreisträger daraufhin zur unerwünschten Person, die Kritik in Deutschland an dem 84 Jahre alten Schriftsteller ist groß.

Bei manchem Politiker klingt neben Unverständnis auch Mitleid durch. Gesundheitsminister Bahr etwa sagte, es sei "traurig anzusehen, wie jemand, der alle Debatten in Nachkriegsdeutschland miterlebt hat, von so viel Vorurteilen und Uneinsichtigkeit bei Kritik geprägt ist". Ähnlich äußerte sich der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose im Hamburger Abendblatt. Grass sei ein alter Mann, der ein paar gute Bücher geschrieben habe. Er zeige mit dem Gedicht, dass er nichts verstanden habe im Konflikt zwischen Israel und Iran.

Auch in Israel hatten Intellektuelle zwar Grass für sein Gedicht kritisiert, aber gleichzeitig den Einreisebann als Fehler bezeichnet.

Es gab aber auch Stimmen, die den Schritt der Jerusalemer Regierung verteidigten: Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, sagte dem Tagesspiegel, Israel entscheide selber, "wer willkommen ist und wer nicht" und wies die parteiübergreifende Kritik an diesem Schritt zurück. Mißfelder forderte Grass auf, sich für seine Kritik an Israel zu entschuldigen.

Der in Israel geborene deutsche Historiker Michael Wolffsohn nannte das Einreiseverbot "absolut legitim". Der Münchner Professor an der Bundeswehrhochschule erinnerte an die Mitgliedschaft von Grass in der Waffen-SS: Es gehe darum der außerisraelischen Welt zu zeigen: "Kritik ja, aber nicht von ehemaligen SS-Leuten."

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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