Israel:Ende einer Einheit

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Wirklich grün waren sie sich von Anfang an nicht: Benjamin Netanjahu (re.) und Benny Gantz. (Foto: Adina Valman/AFP)

Verteidigungsminister Benny Gantz will die Auflösung der Knesset. Nach nur sieben Monaten droht die Regierungskoalition zu platzen. Doch im Falle von Neuwahlen hätten beide Partner, die Likud-Partei und das Bündnis Blau-Weiß, viel zu verlieren.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israel steuert auf die vierte Parlamentswahl innerhalb von zwei Jahren zu. Am Dienstagabend verkündete Verteidigungsminister Benny Gantz vom Bündnis Blau-Weiß, dass er an diesem Mittwoch in der Knesset zusammen mit der Opposition für ein Gesetz zur Auflösung des Parlaments stimmen will. Er verband das mit schweren Vorwürfen gegen Premier Benjamin Netanjahu von der Likud-Partei. Der würde die Öffentlichkeit fortgesetzt belügen und sich zum Schaden des Landes weigern, ein Zweijahresbudget zu verabschieden wie im Koalitionsvertrag vereinbart.

Die erst vor sieben Monaten gebildete sogenannte Einheitsregierung gilt seit Längerem als zerrüttet. Jüngst erst soll es wieder Schreiereien bei einer Kabinettssitzung gegeben haben. Auch in Sachfragen sind sich die beiden Lager von Netanjahu und Gantz selten einig. Vor der für diesen Mittwoch angesetzten Abstimmung war deshalb eine regelrechte High-Noon-Stimmung in der Knesset geschürt worden.

Das Ende dieser fast von Beginn an dysfunktionalen Regierung dürfte dabei kaum jemand bedauern. Das Dilemma ist allerdings, dass sich Israel angesichts der aktuellen Herausforderungen von der Corona-Krise bis zum Konflikt mit Iran weder eine Regierung wie diese noch einen Bruch dieser Regierung mit anschließender Konzentration auf den Wahlkampf wirklich leisten kann.

Vor und vor allem hinter den Kulissen dürfte nun noch bis zuletzt verhandelt, getrickst und gedroht werden, um entweder Neuwahlen im letzten Augenblick zu verhindern oder beim Scheitern der anderen Seite die Schuld zuschieben zu können. Gantz hatte diese Runde der Auseinandersetzung in der vorigen Woche mit einem Frontalangriff auf Netanjahu eröffnet, als er in seinem Ministerium eine Untersuchungskommission einsetzte, die den Kauf deutscher U-Boote näher beleuchten soll. Es geht um den Verdacht der Korruption im engeren Umfeld des Premiers.

In den Tagen danach hat Gantz noch nachgelegt, unter anderem mit ein paar nicht abgesprochenen Gesetzesinitiativen. Vor allem aber hat er klargemacht, dass seine Geduld mit Netanjahu am Ende ist. Bis über die Grenze zur Demütigung hinaus hatte der Premierminister ihn in den vergangenen Monaten immer wieder vorgeführt und bei wichtigen Entscheidungen wie den Normalisierungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und dem Sudan außen vor gelassen.

Bei alldem scheint inzwischen auch Gantz selbst den Glauben daran verloren zu haben, dass Netanjahu ihm, wie es unter dem Stichwort "Rotation" im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, im nächsten November tatsächlich das Premiersamt überlässt. "Ich habe genug von dem Spiel, das Netanjahu mir und dem ganzen Land aufzwingt", erklärte er. "Ich bin in die Politik gegangen, um zu gestalten, nicht um zu leiden und dauernd abzublocken, was Netanjahu und seine Leute vorantreiben wollen."

Netanjahu hat sogleich die Chance genutzt, Gantz für ein Scheitern der Regierung verantwortlich zu machen. Seine Likud-Partei werde am Mittwoch jedenfalls gegen die Auflösung des Parlaments stimmen, kündigte er an. Statt "unnützer Neuwahlen" sei jetzt "Einigkeit" nötig - Einigkeit, um Impfstoffe gegen das Coronavirus zu besorgen, um Finanzhilfe für Corona-Geschädigte zu leisten und um weitere Abkommen mit arabischen Ländern zu erreichen.

Dahinter steckt jedoch nicht nur die Sorge, eine weitere Wahl könnte dem Land schaden, sondern auch die Befürchtung, dass eine solche Wahl im März für ihn zu früh kommt. Der Sommer dürfte Netanjahu lieber sein, weil dann der Corona-Impfprozess vorangeschritten und die Folgen der Pandemie nicht mehr so erdrückend sein könnten. Bei einem frühen Wahltermin muss Netanjahu in jedem Fall starke Konkurrenz von rechts fürchten. Naftali Bennett, Chef der siedlernahen Yamina-Partei, hat sich als scharfer Kritiker der Corona-Politik der Regierung profiliert und in den Umfragen mächtig aufgeholt.

Gantz hat wenig zu gewinnen

Doch auch Gantz hat bei einer baldigen Neuwahl wenig zu gewinnen und viel zu verlieren. Sein Bündnis ist in den Umfragen abgestürzt, es droht die weitere Spaltung und ein unrühmliches Ende seiner kurzen politischen Karriere. Netanjahu und seine Leute setzten deshalb darauf, den früheren Generalstabschef im letzten Augenblick doch noch für irgendeine gesichtswahrende Kompromisslösung zu gewinnen.

Eine Brücke gebaut hat dazu am Dienstag bereits Likud-Fraktionschef Miki Zohar. Er wies darauf hin, dass selbst bei einer Mehrheit für das Gesetz zur Knesset-Auflösung noch nichts endgültig entschieden sei. Schließlich müsse das Auflösungsgesetz nach dem ersten Votum an diesem Mittwoch noch in drei weiteren Lesungen im Parlament bestätigt werden. Das gewähre noch Zeit für weitere Verhandlungen. Auf die High-Noon-Abstimmung in der Knesset könnten also durchaus ein zäher Nachmittag und ein langer Abend folgen.

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