Israel diskutiert über angebliche Angriffspläne:"Bombardierung Irans wäre idiotisch"

Der israelische Ministerpräsident Netanjahu bemüht sich angeblich um die Zustimmung seines Kabinetts zu einem Militärschlag gegen Irans Atomanlagen. Auch das britische und das amerikanische Millitär erwägen offenbar einen solchen Schritt. In Israel ist darüber nun ein heftiger Streit entbrannt.

Israel, die USA und Großbritannien bereiten sich mehreren Medienberichten zufolge offenbar auf einen militärischen Schlag gegen die iranischen Atomanlagen vor.

Atomkraftwerk bei Buschehr

Das Atomkraftwerk Buschir. Im Westen wird befürchtet, dass Iran versucht, atomwaffenfähiges Material zu gewinnen.

(Foto: Abedin Taherkenareh/dpa)

Wie die israelische Zeitung Haaretz unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, bemüht sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu derzeit darum, sein Kabinett zur Genehmigung einer entsprechenden Militäraktion zu bewegen.

Der Westen geht davon aus, dass Teheran seine Nuklearanlagen nicht nur zur Stromerzeugung nutzt, sondern auch Atomwaffen bauen will. Die iranische Regierung weist diese Vorwürfe zurück und hat trotz Sanktionen sein Programm zur Urananreicherung bislang nicht eingestellt.

Auch Israels Verteidigungsminister Ehud Barak sei deshalb für einen Angriff, berichtet Haaretz. Bestätigt wurde dies der Nachrichtenagentur AP zufolge durch einen namentlich nicht genannten Regierungsvertreter. Demnach würde die Option derzeit auf höchster Ebene diskutiert.

Noch aber fehle die Unterstützung der Mehrheit der Kabinettsminister. Die Militärführung und der israelische Geheimdienst Mossad seien ebenfalls gegen einen Angriff, hieß es. Der frühere Chef des Geheimdienstes Mossad, Meir Dagan, bezeichnete eine Bombardierung Irans sogar als "idiotisch". Finanzminister Juval Steinitz warf ihm umgehend einen unverantwortlichen Umgang mit Staatsgeheimnissen vor.

Verteidigungsminister Barak hatte entsprechende Pläne am Montag noch dementiert: Solche Entscheidungen könnten nicht im Alleingang getroffen werden. Allerdings seien Teherans "Fortschritte bei der Entwicklung von Atomwaffen die Hauptbedrohung für die Sicherheit der Region".

Und die Entscheidung für einen Angriff wäre möglicherweise auch kein israelischer Alleingang. Wie der britische Guardian berichtet, geht man im Londoner Verteidigungsministerium davon aus, dass die Amerikaner sich für einen Angriff auf iranische Atomanlagen entscheiden könnten. Regierungsmitarbeiter erklärten dem Blatt, dass Washington in diesem Fall mit militärischer Unterstützung aus Großbritannien rechnen könne - obwohl es innerhalb der Regierungskoalition durchaus Vorbehalte dagegen gebe.

Die britischen Strategen untersuchen dem Guardian zufolge deshalb derzeit, wo mit Tomahawk-Marschflugkörpern ausgestattete Schiffe und U-Boote der Royal Navy in den nächsten Monaten eingesetzt werden könnten. Auch erwarte man, dass die Amerikaner um Erlaubnis fragen würden, Angriffe von der Insel Diego Garcia im Indischen Ozean, die zu den Britischen Überseegebieten gehört, zu starten.

Britische Regierungsvertreter und Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums erklärten zwar, dass US-Präsident Barack Obama vor der Präsidentenwahl im nächsten Jahr eigentlich kein Interesse an einer neuen Militäraktion habe. Allerdings erwägt die US-Regierung der New York Times zufolge offenbar bereits, weitere Kriegsschiffe in den Persischen Golf zu schicken.

Iran will Drohungen ernst nehmen

Das Verhältnis zwischen Washington und Teheran hat sich in der jüngsten Vergangenheit noch einmal deutlich verschlechtert. Der Grund sind Hinweise darauf, dass in Iran ein Anschlag auf den saudischen Botschafter in den USA geplant wurde. Irans politischer und religiöser Führer Ali Chamenei hat nun angekündigt, Dokumente zu veröffentlichen, die terroristische Aktivitäten der Amerikaner im Nahen Osten beweisen sollen.

Die Haltung der US-Regierung zu einem Militärschlag könnte sich auch ändern, wenn in der kommenden Woche die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) einen Bericht zur Atomforschung in Iran veröffentlichen wird. Das Dokument, so zitiert der Guardian einen Informanten, werde für den Westen und Israel möglicherweise zu einer "Wende" in der bisherigen Iran-Politik führen.

Britische Regierungsmitarbeiter erklärten der Zeitung, dass Iran sich von dem Angriff des Computerwurms Stuxnet offenbar bereits erholt habe, der etliche Zentrifugen zur Anreicherung von Uran lahmgelegt hatte. Und nun würden die wichtigen Geräte in gut geschützte Anlagen verlegt, die einem Raketenangriff standhalten könnten. Ein Militärschlag sei deshalb vermutlich nur noch innerhalb der kommenden zwölf Monate möglich. Aus Sicht der Befürworter einer solchen Aktion drängt demnach die Zeit.

In Israel ist die Bevölkerung in dieser Frage offenbar gespalten. Einer Umfrage der Zeitung Haaretz zufolge befürworten 41 Prozent einen Angriff auf die Atomanlagen, aber 39 Prozent lehnen ihn ab, der Rest ist unentschieden. Und 52 Prozent erklärten, sie würden Ministerpräsident Netanjahu und Verteidigungsminister Barak diesbezüglich vertrauen, während 37 Prozent dies nicht tun und elf Prozent keine Meinung haben.

Iran hatte schon auf den Raketentest am Mittwoch und die Diskussion in Israel eindeutig reagiert: Er werde die "Drohungen ernst nehmen", egal wie abwegig oder unwahrscheinlich sie erschienen, schrieb der iranische Generalstabschef Hassan Firusabadi auf der Webseite der Revolutionsgarde. "Wir würden sie einen derartigen Fehler bedauern lassen und sie schwer bestrafen", kündigte er nach Angaben der Agentur Isna an. "Sollte uns das zionistische Regime angreifen, dann werden auch die USA getroffen."

Außenminister Ali Akbar Salehi fügte nun in der in Istanbul erscheinenden englischsprachigen Hürriyet Daily News hinzu, man sei "immer bereit zum Krieg".

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