Deutschland – IsraelWadephul auf dem diplomatischen Drahtseil

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Bundesaußenminister Johann Wadephul (rechts, CDU) und sein israelischer Amtskollege Gideon Saar verabschieden sich nach einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin.
Bundesaußenminister Johann Wadephul (rechts, CDU) und sein israelischer Amtskollege Gideon Saar verabschieden sich nach einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Beim Besuch seines Kollegen aus Israel bewegt sich der Bundesaußenminister in einem Spannungsfeld aus sicherheitspolitischer Solidarität, diplomatischer Verantwortung und wachsendem öffentlichen Druck.

Von Sina-Maria Schweikle, Berlin

Als der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) und sein israelischer Amtskollege Gideon Saar am Donnerstagmittag in Berlin vor die Kameras treten, lässt sich nur erahnen, wie intensiv die Gespräche zuvor gewesen sein müssen. Die Themen waren vielfältig und von erheblicher Tragweite: humanitäre Hilfe für Gaza, Waffenlieferungen, Bedrohungen aus Jemen, Iran und Libanon – sowie die jüngste Kritik Deutschlands an der israelischen Regierung und die daraus resultierenden diplomatischen Spannungen. Israel habe selbstverständlich das Recht, sich zu verteidigen, betonte Wadephul während der Pressekonferenz: „Und es ist klar, wir unterstützen euch dabei und werden es auch weiterhin tun.“

Trotzdem: Die deutsch-israelischen Beziehungen stehen auf einem Prüfstand und auch innenpolitisch ist die Haltung der Bundesregierung zunehmend umstritten. Bundeskanzler Friedrich Merz und Johann Wadephul haben den Ton gegenüber Israel zuletzt neu justiert. Friedrich Merz sagte, er verstehe „offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel“ das Land vorgehe. Wadephul stand zuletzt wegen seiner Äußerungen zur Überprüfung der deutschen Waffenhilfe für Israel in der Kritik. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann stellte klar, dass Sanktionen gegen Israel mit seiner Partei „nicht zu machen“ seien. Am Donnerstag ruderte Wadephul zurück: Deutschland werde weiter Waffen nach Israel senden.

Doch auch das wird in Deutschland zunehmend kritisch betrachtet. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend sprechen sich immerhin 43 Prozent der Befragten dafür aus, die deutschen Rüstungsexporte nach Israel zu begrenzen. Weitere 30 Prozent befürworten einen vollständigen Stopp. Jeder Sechste (17 Prozent) meint, die Bundesregierung solle an den bisherigen Genehmigungen festhalten.

Gideon Saar kritisiert den französischen Vorstoß zur Errichtung eines palästinensischen Staates

Gideon Saar kennt die Umfragewerte – und er hört die Kritik seines deutschen Amtskollegen. In Berlin betont der israelische Außenminister, wie wichtig es sei, Israel weiterhin entschieden zu unterstützen, und warnt eindringlich vor einer Umkehr von Täter- und Opferrollen. Schließlich sei Israel von Feinden umgeben, seine Existenz unmittelbar bedroht: „Was unternimmt die internationale Gemeinschaft, um diesen offenen Dschihad zur Auslöschung des einzigen jüdischen Staates zu stoppen?“ Er kritisiert, dass der Druck auf Israel erhöht, mit Sanktionen gedroht und den „Mördern der größte Preis angeboten wird: die Errichtung eines neuen Terrorstaates im Herzen unserer Heimat“.

Eine deutliche Anspielung auf die jüngsten Vorstöße des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der sich für die Schaffung eines palästinensischen Staates ausgesprochen hatte. Dieser hatte das „nicht nur eine moralische Pflicht, sondern eine politische Notwendigkeit“ genannt. Außenminister Johann Wadephul widerspricht dieser Position bei der Pressekonferenz mit seinem israelischen Amtskollegen deutlich. Die jetzige Anerkennung eines palästinensischen Staates sei ein „falsches Zeichen“, sagt er.

Doch wie lange ist die deutsche Position in Bezug auf die israelische Kriegsführung noch aufrechtzuerhalten? Schließlich ist die Lage im Gazastreifen dramatisch. Seit Beginn des Krieges sind weite Teile des Gebiets zerstört worden. Hunderttausende Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben, Zehntausende Palästinenser getötet – darunter nach UN-Angaben rund 16 000 Kinder. Die humanitäre Krise wird zusätzlich durch Hunger verschärft. Über zwei Monate lang ließen die israelischen Behörden keinerlei Hilfslieferungen zu. Israel sieht sich inzwischen mit dem Vorwurf konfrontiert, gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Lange hat sich die Bundesregierungen in einem heiklen Balanceakt geübt – zwischen historischer Verantwortung gegenüber dem jüdischen Staat und realpolitischer Interessenlage. Anders als Deutschland haben mehrere westliche Verbündete, darunter Frankreich, Kanada und Großbritannien, Israel offen mit Konsequenzen gedroht. Sogar Sanktionen stehen im Raum.

Deutschland ist nach Expertenansicht eher isoliert

Daniel Gerlach hält die deutsche Zurückhaltung für einen Fehler. Als Nahost-Experte steht der Publizist in regelmäßigem Austausch mit internationalen Partnern, um über die Zukunft des Gazastreifens zu beraten. Seine Einschätzung ist deutlich: „Deutschland ist eher isoliert und spielt in den Verhandlungen zur Palästinafrage derzeit keine Rolle. Niemand scheint von Deutschland eine Initiative zu erwarten.“ Gerlach warnt: Sollte die Bundesregierung ihren kritischen Worten nicht bald konkrete Schritte folgen lassen, droht der Bundesrepublik ein spürbarer Verlust an Einfluss – nicht nur im Nahen Osten, sondern auch innerhalb Europas.

Inmitten des Spannungsfelds aus sicherheitspolitischer Solidarität, diplomatischer Verantwortung und wachsendem öffentlichen Druck bewegt sich Johann Wadephul in der Israel-Politik auf einem diplomatischen Drahtseil. Am Ende der Pressekonferenz betonte der Außenminister, militärische Mittel allein reichten nicht aus, um den Terror der Hamas und ihre Ideologie dauerhaft zu besiegen. Dafür brauche es, so Wadephul, „eine Perspektive auf Arbeit, auf Bildung für ihre Kinder, auf ein Leben in Frieden und Sicherheit und auf einen eigenen Staat“. Damit skizzierte er zugleich den deutschen Ansatz einer Zweistaatenlösung – als langfristiges Ziel nach dem Krieg und künftigen Verhandlungen.

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