Süddeutsche Zeitung

Israel:Der Trick mit der Klausel

Der Koalitionsvertrag sichert Premier Benjamin Netanjahu eine Steuerbefreiung. Dem Koalitionspartner Blau-Weiß ist dies "nicht bewusst" gewesen.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Ist Benny Gantz dieser Passus im Koalitionsvertrag nicht aufgefallen oder hat er ihn vor vier Wochen einfach in Kauf genommen? Diese Frage stellen nicht nur Oppositionspolitiker in Israel. Vertreter von Gantz' blau-weißer Partei behaupten, ihnen sei "nicht bewusst" gewesen, dass darin eine Passage enthalten ist, die ihrem Koalitionspartner Benjamin Netanjahu Steuervorteile sichert. Laut israelischen Medienberichten geht es um umgerechnet mindestens 155 000 Euro.

Netanjahu beantragte im Finanzkomitee der Knesset die Befreiung von Steuerzahlungen - und zwar neun Jahre rückwirkend. Außerdem forderte der Ministerpräsident die Übernahme von Ausgaben in seiner privaten Residenz in Caesarea - von Reparaturen bis zu Bewirtungskosten. Am Dienstag stimmte das Komitee über die Anträge ab, acht Abgeordnete stimmten zu, fünf waren dagegen - und die Politiker von Netanjahus Koalitionspartner Blau-Weiß enthielten sich.

Nach Angaben von Experten ist damit Netanjahu de facto von allen Steuerzahlungen befreit mit Ausnahme seines Gehalts und der Staat übernimmt beträchtliche Ausgaben. Netanjahus Ehefrau Sara wurde 2018 verurteilt, weil sie bei Cateringfirmen Essen im Ausmaß von 86 300 Euro bestellt und über die Staatskasse abgerechnet hat.

Netanjahus Likud-Partei beeilte sich zu versichern, dass sich diese Klausel nicht auf private Kapitalerträge beziehen würde. Steuervorteile würden nur in Anspruch genommen für Ausgaben in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Regierungschef. Sein Parteifreund Miki Zohar begründete vor dem Komitee den Antrag damit, dass Netanjahu durch die Steuerzahlungen "finanziell angeschlagen" sei. Das Magazin Forbes schätzte im Vorjahr Netanjahus Vermögen auf 14 Millionen Dollar.

Bereits 2018 hat Netanjahu ein Gesetz erwirkt, so dass er keine Steuern für die private Nutzung des Dienstwagens zahlen muss. Der Staat kommt auch für Ausgaben auf, die er als mit seiner Tätigkeit als Regierungschef zusammenhängend deklarierte. Der finanzielle Vorteil für ihn wurde damals mit umgerechnet 51 500 Euro pro Jahr taxiert. Mit dem jetzigen Antrag erreichte er, dass diese Regelung für praktisch alle Ausgaben und geldwerte Vorteile gilt - und zwar rückwirkend ab 2009. Seit diesem Jahr ist Netanjahu Regierungschef.

Die Liste, für welche Ausgaben der Staat aufkommt, ist lang: Personal, alle Kosten für die Bewirtung von Gästen, Instandsetzungsarbeiten, Reparaturen und Möbel. Ein spezieller Passus bezieht sich auf das Privathaus in Caesarea, das auf Staatskosten renoviert werden darf.

Im Koalitionsvertrag ist außerdem sichergestellt, dass Netanjahu eine seiner drei Immobilien weiter als offizielle Residenz nutzen darf, wenn er, wie vereinbart, das Amt des Ministerpräsidenten im November 2021 an Benny Gantz abgibt. Als "alternierender Ministerpräsident" könnte Gantz auf die gleiche Regelung wie Netanjahu pochen. In einem Brief an das Komitee gab Gantz an, er wolle diese Vorteile nicht in Anspruch nehmen.

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SZ vom 25.06.2020
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