Für Israels neuen Premierminister Naftali Bennett wird die Corona-Bekämpfung fast schon wieder zur Vollzeitbeschäftigung. Am Mittwoch eröffnet er ein neues Impfzentrum in Jerusalem, am Dienstag begleitet er seine Mutter in Haifa treusorgend und vor Kameras zu ihrem dritten Impftermin, dazwischen liegt eine spätabendliche Kabinettskrisensitzung zur Lage der Nation in der Pandemie. Die Lage ist wieder mal ernst.
In Zahlen ausgedrückt: Fast 4000 neue Fälle an nur einem Tag sind zu Wochenbeginn vermeldet worden, bald doppelt so viele wie wenige Tage zuvor. Knapp vier Prozent der Tests kommen positiv zurück, Tendenz steigend. Der R-Wert liegt bei 1,4, die Anzahl ernster Erkrankungen verdoppelt sich derzeit alle zehn Tage. Und das in einem vorbildlich durchgeimpften Land, das im Juni bereits den endgültigen Sieg über die Pandemie erklärte und auch die letzten Restriktionen aufhob.
Nun wird die Liste der Verbote und Beschränkungen wieder ständig länger. Mit den am Dienstagabend beschlossenen Verschärfungen hat die Regierung endgültig den Kurswechsel vollzogen: Hieß es zuvor noch, man müsse lernen, mit dem Virus zu leben, stehen nun wieder Eindämmung und Bekämpfung im Vordergrund.
Die Maskenpflicht, zuvor schon für Innenräume reaktiviert, gilt nun auch wieder draußen bei Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern. Auch Zusammenkünfte mit weniger als 100 Menschen dürfen nur noch von Geimpften, Genesenen und Getesteten besucht werden. Kinder unter zwölf Jahren müssen ebenfalls beim Eintritt ein negatives Corona-Testergebnis vorlegen. Öffentliche Ämter beschränken die Präsenz auf die Hälfte der Belegschaft. Der Privatwirtschaft wird das Gleiche empfohlen.
Diskutiert wird ein Lockdown im September
Einschneidend sind zudem die Reisebeschränkungen in der Ferienzeit. Rückkehrer aus rund 40 Ländern müssen ab Mitte nächster Woche nach Ankunft in Israel für mindestens eine Woche in Quarantäne, selbst wenn sie vollständig geimpft sind. Seit Dienstagabend stehen auch Deutschland, die USA und zahlreiche andere europäische Länder auf der Quarantäneliste. Für ausländische Touristen gilt weiter das bereits im März 2020 verhängte Einreiseverbot. Eine Öffnung des Landes war zunächst für den 1. Juli, dann für den 1. August angekündigt worden. Inzwischen spricht davon niemand mehr.
Sogar ein neuer Lockdown wird bereits eifrig diskutiert. Premier Bennett betont zwar noch bei jeder Gelegenheit, dass er Israels Wirtschaft offen halten will. Ein Wort jedoch wird dabei immer bedeutsamer: das Aber. "Wir wissen, wann wir auf die Bremse treten müssen", sagt Bennett nun. Deutlicher noch wird Verteidigungsminister Benny Gantz: "Wir müssen die Öffentlichkeit auf einen Lockdown im September vorbereiten." Der September ist ein Monat mit vielen jüdischen Feiertagen vom Neujahrsfest über Jom Kippur bis zum einwöchigen Laubhüttenfest. Zumindest die wirtschaftlichen Folgen wären deshalb weniger gravierend.
Die Lehre aus den vorigen drei Corona-Wellen jedoch ist, dass auch der strengste Lockdown höchstens eine Atempause gewährt. Das einzig erfolgreiche Mittel gegen die Pandemie ist die Impfung, selbst wenn deren Wirkung israelischen Erkenntnissen zufolge nach mehreren Monaten nachzulassen droht. Die Führung in Jerusalem hat daraus einen klaren Schluss gezogen: Wenn das viele Impfen noch nicht gereicht hat, dann muss eben noch mehr geimpft werden.
Zum einen gibt es deshalb schon jetzt eine dritte Impfdosis für alle über 60-Jährigen, überdies könnte die Altersgrenze bald gesenkt werden. Zum anderen erhöht Premier Bennett deutlich den Druck auf jene rund eine Million Israelis über zwölf Jahren, die sich bislang noch nicht haben impfen lassen. "Sie gefährden alle anderen acht Millionen Bürger dieses Landes", erklärte er - und machte die Impfverweigerer damit verantwortlich für die steigenden Infektionszahlen, die neuen Beschränkungen und den drohenden Lockdown.