Als in der Nähe des internationalen Flughafens von Damaskus um halb vier in der Früh mehrere Explosionen die nächtliche Stille zerrissen, richteten sich schnell die Blicke gen Israel. Zuerst meldete der Hisbollah-Fernsehsender Al-Manar, die Detonationen seien "wahrscheinlich" auf einen israelischen Luftangriff zurückzuführen. Dann berichtete die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana von "einer israelischen Aggression". In früheren Zeiten wäre so etwas in Jerusalem auf eisernes Schweigen gestoßen. Nun aber verbreitete der für Geheimdienste zuständige Minister Israel Katz übers Armeeradio, dass dieser Vorfall "in völligem Einklang mit der israelischen Politik" stehe. "Natürlich werde ich dies aber nicht näher ausführen", ergänzte er noch.
Neu sind israelische Angriffe auf syrisches Territorium nicht: Seit Januar 2012 hat es das immer wieder gegeben. Ein Geheimnis waren sie auch nie: Die Jerusalemer Regierung hat stets betont, dass sie mit allen Mitteln versuchen werde, Waffenlieferungen aus Syrien und Iran an die mit dem Despoten Baschar al-Assad verbündete libanesische Hisbollah-Miliz zu verhindern. Dennoch signalisiert der plötzliche Jerusalemer Bekennermut, dass der Konflikt in eine neue Phase getreten ist - mit der Gefahr einer weiteren Zuspitzung.
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Denn das offizielle Schweigen rund um die Angriffe war lange ein Garant dafür, dass es zu keiner Eskalation kam. Schweigsam war zunächst auch die syrische Seite. Die Interessen überlagerten sich: Israel wollte nicht in den syrischen Sumpf hineingezogen werden, und Assad wollte sich nicht selbst in den Zugzwang bringen, auf israelische Angriffe reagieren zu müssen.
Doch zwei Entwicklungen haben in jüngster Zeit für eine Veränderung gesorgt. Zum einen der Vorfall vom 17. März, als israelische Kampfflugzeuge mehrere Ziele in Syrien bombardierten - und der erstarkte Assad zum ersten Mal mit Luftabwehrraketen zurückfeuerte. Dies war die klare Botschaft an Israel, dass nun neue Regeln im Konflikt gelten. Wie ernst es Assad damit meint, wollen die Israelis nun offenbar austesten. Dem Bombardement auf ein vermeintliches Waffenlager am Flughafen von Damaskus in der Nacht zum Donnerstag war bereits ein mutmaßlicher Angriff am Sonntag vorausgegangen.
Und Assad reagierte offenbar prompt: Am Donnerstagabend meldete das israelische Militär, es habe über den Golanhöhen eine aus Syrien kommende Drohne abgefangen. Nun werde noch untersucht, ob es sich um eine syrische Drohne gehandelt habe, verlautete aus Militärkreisen - oder eventuell um eine russische, die versehentlich in israelischen Luftraum eingedrungen sei.
Die zweite Veränderung betrifft die Rolle der USA, nachdem Präsident Donald Trump als Reaktion auf den Giftgaseinsatz am 7. April insgesamt 59 Marschflugkörper auf den Flughafen von Homs abfeuern ließ. Sollten sich die Amerikaner, wie von Trump angedroht, nun tatsächlich stärker in Syrien engagieren, dürfte das auch Folgen für Israel haben.
Bislang nämlich pflegt Israel in Sachen Syrien eine ungewöhnliche Sicherheitskooperation mit Russland. Premierminister Benjamin Netanjahu hatte sie bei mehreren Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eingefädelt, um sicherzustellen, dass sich die beiden Luftwaffen nicht ins Gehege kommen, und um Israel eine gewisse Handlungsfreiheit in Syrien zu garantieren. Diese Kooperation ist in Gefahr, weil sich die Regierung Netanjahu gewiss eindeutig auf Seiten Washingtons positionieren muss, wenn es rund um Syrien zu einer Konfrontation zwischen den USA und Russland kommt. Der Syrienkrieg könnte damit noch brisanter für die gesamte Region werden.