Drusen:Israels Blutsbrüder fühlen sich verraten

Demonstration gegen ´Nationalitätsgesetz"

Die Drusen in Israel demonstrieren gegen das "Nationalitätsgesetz"-

(Foto: dpa)
  • Israels neues Nationalstaatsgesetz, das Israel als nationale Heimstatt des jüdischen Volkes definiert, ruft große Empörung hervor.
  • Vor allem die Religionsgemeinschaft der Drusen, die als loyale Bürger gelten und wie die Israelis Militärdienst leisten, fühlen sich brüskiert.
  • In Tel Aviv haben Zehntausende von ihnen gegen das neue Gesetz demonstriert.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Hurfeish

An Laternenmasten entlang der Hauptstraße wehen zwei Fahnen: die weiß-blaue mit dem Davidstern und die fünffarbige Flagge der Drusen. In Hurfeish im Norden Israels nahe der Grenze zu Libanon gehören 96 Prozent der 6166 Einwohner der Religionsgemeinschaft der Drusen an. Fast jeder trägt hier traditionelle Kleidung: Frauen ein weißes Kopftuch und ein schwarzes Kleid, die Männer Pumphosen und eine weiße Kopfbedeckung.

An den Marktständen des Ortes gibt es nur ein Thema. Die Empörung ist groß über das neue Nationalstaatsgesetz, das Israel als nationale Heimstatt des jüdischen Volkes definiert und nur Juden ein Selbstbestimmungsrecht zubilligt. Ein Schlag ins Gesicht sei das, wettert ein Druse mit markantem, weißem Schnauzbart. Ein schlechtes Gesetz, befindet ein anderer. Ein älterer Mann macht eine wegwerfende Handbewegung.

Einige Schritte weiter herrscht in der Konditorei von Munib Fares reger Betrieb. Der 63-Jährige nimmt sich dennoch ausführlich Zeit für Erklärungen, warum die Aufregung unter den Drusen so groß ist. "Drusen von hier haben während des Krieges Seite an Seite mit Israelis gegen Drusen aus Libanon gekämpft, weil es unsere Pflicht war als Bürger dieses Staates. Und jetzt sagt uns dieser Staat, er habe keine Pflichten uns gegenüber. Wir geben unser Blut für Israel - und das ist der Dank?"

Araber, aber keine Palästinenser: Die Drusen beanspruchen keinen eigenen Staat

Die Drusen beanspruchen, anders als die Palästinenser, keinen eigenen Staat. Sie seien loyale Bürger, sagt der Konditor, leisten wie die Israelis Militärdienst - verpflichtend seit 1956: Drei Jahre die Männer, zwei die Frauen. Die Abmachung der damaligen Drusenführer mit der Regierung gilt als "Blutsbund", seither sehen sich die Drusen als Israelis. "So wie Juden oder Christen in der deutschen Armee dienen. Sie alle sind zuallererst Deutsche."

Fares hat vier Kinder, sein einziger Sohn leistet derzeit seinen Militärdienst, er ist im Süden des Landes stationiert. "Bisher war er stolz, Dienst zu tun", sagt Fares und zeigt ein Foto seines Sohnes in Uniform. "Jetzt könnte es sein, dass in Zukunft er und alle anderen Drusen aus Israel rausgeschmissen werden. Denn jeder kann sich auf dieses Gesetz berufen."

Rund 133 000 Drusen leben in Israel, das sind 1,6 Prozent der Bevölkerung. Die meisten der rund zwei Millionen Drusen weltweit sind in Syrien und in Libanon ansässig. Die Ursprünge ihrer Religion liegen im Ägypten des 11. Jahrhunderts, wo ein schiitischer Geistlicher eine neue Glaubensgemeinschaft gründete.

Bedingungslose Loyalität mit der Führung gehört zu den Grundsätzen der Gemeinschaft - das bezog sich bisher auch auf die Regierung in Jerusalem. Von Israel wurden die Drusen 1957 als eigenständige Religionsgemeinschaft und Volksgruppe anerkannt. Sie sehen sich als Araber, legen jedoch Wert auf ihre Unterschiede zu Muslimen und damit zu den Palästinensern. Die meisten leben in 18 Dörfern im Norden des Landes und in vier Orten auf den von Israel besetzten Golanhöhen.

Überdurchschnittlich viele Drusen sind beim Militär oder bei der Polizei aktiv. Zwei Polizisten, die in einem Schnellimbiss in Hurfeish ihre Mittagspause verbringen, wollen zwar ihre Namen nicht preisgeben, machen aber aus ihrer Verärgerung kein Hehl: "Nur wenn wir in Uniform dienen, behandelt man uns Drusen gut."

Großdemonstration in Tel Aviv

Am Mittwoch quittierte der dritte drusische Offizier aus Protest gegen das Nationalstaatsgesetz seinen Dienst in der Armee. Kommandant Amir Jamal, der auf Facebook auch dazu aufgerufen hatte, den verpflichtenden Militärdienst für Drusen abzuschaffen, wurde inzwischen suspendiert. Diese Forderung an seine Glaubensbrüder in Israel hatte wiederholt auch Drusenführer Walid Dschumblat erhoben, der auch ohne offizielles Amt noch immer in der libanesischen Politik mitmischt.

Der Generalstabschef der israelischen Streitkräfte, Gadi Eisenkot, bemühte sich in den vergangenen Tagen, die Wogen zu glätten. Er versicherte öffentlich: "Wir haben geschworen, dass die gemeinsame Verantwortung und die Kameradschaft mit unseren drusischen Brüdern, Beduinen und den anderen Minderheiten, die in der Armee dienen, uns weiterhin leiten wird."

Staatspräsident Rivlin will das Nationalstaatsgesetz angeblich auf Arabisch abzeichnen - aus Protest

Auch Bildungsminister Naftali Bennett, mit seiner nationalreligiösen Partei Jüdisches Heim einer der Initiatoren des Gesetzes, sprach auf Twitter von den Drusen als "Blutsbrüdern, die Schulter an Schulter mit uns auf dem Schlachtfeld stehen". Die israelische Regierung habe die Verpflichtung, einen Weg zu finden, um diese Kluft zu überbrücken. Auch Präsident Reuven Rivlin, der sich im Vorfeld vehement gegen das Gesetz ausgesprochen hatte und es angeblich aus Protest auf Arabisch unterzeichnen will, versicherte, die Drusen seien keine Bürger zweiter Klasse.

Regierungschef Benjamin Netanjahu hat Drusenführer in den vergangenen Tagen drei Mal empfangen und ihnen am Mittwochabend ein eigenes Gesetz angeboten. Darin soll der spezielle Status der Drusen festgeschrieben werden. Außerdem winken staatliche Unterstützungen für kommunale Projekte und Wohnbau. Die Drusenführer sollen uneins sein, ob sie das Angebot annehmen sollen.

Das Nationalstaatsgesetz selbst soll jedoch nicht geändert werden. Zwei Klagen dagegen sind bereits beim Obersten Gericht eingereicht worden, die erste kam von drei drusischen Abgeordneten. Für Konditor Fares bleibt das Gefühl der Zurückweisung. "Das sind Beruhigungspillen." Besonders zornig ist er auf den Vertreter der Drusen im Kabinett, Kommunikationsminister Hiob Kara von der Likud-Partei. "Er ist eine Schande. Das ist ein Minister für Bibi, nicht für mich", sagte Fares - Bibi ist Netanjahus Spitzname.

Am Samstag gibt es eine Großdemonstration gegen das Nationalstaatsgesetz. Zehntausende kommen dazu auf den Rabinplatz im Zentrum Tel Avis. Auch die Drusen von Hurfeish, das haben sie vorher angekündigt, nehmen daran mit einer größeren Delegation teil. "Wir sind alle gleich", steht - auf Hebräisch, Englisch und Arabisch - auf einigen der Transparente. Und auch die fünffarbige Flagge der Drusen ist häufig zu sehen.

Das Gesetz sieht auch vor, dass nur noch israelische Flaggen als nationale Symbole angebracht werden dürfen. Ob nun in Hurfeish die drusischen Fahnen abgenommen werden? "Sicher nicht!", versichert Fares.

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