Israel:Biete Ministerium, suche Namen

Proteste in Israel

Israel hat eine neue Regierung. Das gefällt nicht allen. "Eine Regierung mit 36 Ministern? Wo bleibt eure Scham?", steht auf dem Plakat der Frau, die Anfang Mai in Tel Aviv demonstrieren ging.

(Foto: Ariel Schalit/dpa)

Israels Regierungsbildung zieht sich bis kurz vor die Vereidigung. Premier Netanjahu soll bis November 2021 im Amt bleiben, dann soll sein bisheriger Rivale Benny Gantz übernehmen.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Unmittelbar vor der geplanten Vereidigung am Donnerstagabend ist die Installierung der neuen Regierung in Israel auf Sonntag verschoben worden. Der Grund war nicht Streit zwischen den künftigen Koalitionspartnern. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bat um Aufschub, weil es in seiner Partei, dem rechtsnationalen Likud, massiven Unmut über die Kabinettsbesetzungen gab. Netanjahu hatte sich mit seinem politischen Rivalen Benny Gantz von der blau-weißen Partei auf eine paritätische Verteilung der Ministerämter geeinigt. Dem Kabinett sollten 36 Minister und 16 Vizeminister angehören - die größte Regierung in der Geschichte des Landes. Gantz, dessen Partei auf 17 Abgeordnete in der Knesset kommt, konnte alle seine Mitstreiter in der Regierung unterbringen. Aber Netanjahu musste neben den Parteifreunden aus seinem Likud auch die Personalwünsche der Parteien seines rechtsreligiösen Blocks - die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum - berücksichtigen. Auch die Arbeitspartei bekam für ihren Einstieg in die Einheitsregierung zwei Ressorts. Deshalb kamen langjährige Weggefährten Netanjahus nicht zum Zug. Bereits nominierte Minister aus den Reihen des Likud beklagten sich, dass ihnen Kompetenzen weggenommen wurden. Zwei Likud-Abgeordnete drohten daraufhin, nicht mehr für die Regierung zu stimmen und bewogen Netanjahu dazu, bei Gantz um eine Verschiebung zu bitten. Gantz zog dann seinen Rücktritt vom Posten des Parlamentspräsidenten wieder zurück. Noch am Tag der geplanten Vereidigung hatte Netanjahu zwei Politikern anderer Parteien einen Ministerposten zugesagt: Der bisherige Bildungsminister Rafi Peretz verließ darauf die rechte Jamina-Partei und die Abgeordnete Orly Levy Abekasis von der von ihr gegründeten Gescher-Partei schlossen sich ebenfalls der Regierung an. Für Orly Abekasis wurde am Donnerstag ein eigenes Ministerium kreiert und dafür ein Name gesucht. Gantz, der sein Wahlversprechen, nie mit Netanjahu in einer Regierung sitzen zu wollen, gebrochen hatte, soll im November 2021 Netanjahu als Ministerpräsidenten ablösen. Er durfte außerdem Schlüsselpositionen im Kabinett besetzen: Gantz selbst übernimmt das Verteidigungsressort, sein Mitstreiter Gabi Aschkenasi wird Außenminister. Blau-Weiß hatte sehr um das Justizressort gekämpft, das mit dem ehemaligen Gewerkschaftschef Avi Nissenkorn besetzt wird. Denn Netanjahu hatte wiederholt mit Eingriffen ins Justizsystem gedroht. Der Prozess gegen Netanjahu, der wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue in drei Fällen angeklagt ist, soll am 24.

Mai starten. Die Regierung will sich in den ersten Monaten auf die Bewältigung der Corona-Krise konzentrieren. Einziges politisches Vorhaben ist die Annexion von Teilen des Westjordanlandes, mit der Netanjahu laut Koalitionsvereinbarung ab Juli beginnen kann. Im besetzten Westjordanland kam es in den vergangenen Tagen zu Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten. Ein Palästinenser, der am Donnerstag mit dem Auto auf Soldaten zugefahren war und einen Mann gerammt und verletzt hatte, wurde erschossen.

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