Süddeutsche Zeitung

Israel:"Bibi" gegen "Bogie"

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Zwischen Premier und Verteidigungsminister tobt ein Machtkampf. Vor allem im Umgang mit der Armee tun sich Gräben auf.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Die Uniform hat Mosche Jaalon schon lange abgelegt, am liebsten zeigt er sich heute in Windjacke oder im offenen Freizeithemd. Doch im Herzen ist der 65-Jährige auch in der Politik stets Soldat geblieben. Als Verteidigungsminister müsste er deshalb eigentlich seinen Traumjob gefunden haben. Nun aber bringt ihn die Loyalität zur Armee in Konflikt mit seinem obersten Dienstherrn, Premierminister Benjamin Netanjahu.

"Bibi" gegen "Bogie" - das klingt den Spitznamen zufolge ziemlich niedlich, steht aber für einen Kampf zweier ehemaligen Kriegsgefährten, der das politische Israel in Wallung bringt. Wird Bibi Netanjahu bald Bogie Jaalon feuern? Will der Verteidigungsminister am Ende den Premier ablösen? Das sind die Fragen des Tages in Jerusalem. Einer gemeinsamen Erklärung der beiden Protagonisten vom Wochenbeginn, in der sie ihre "Differenzen" für ausgeräumt erklären, mag keiner mehr Glauben schenken. Denn dieser Streit hat nicht nur eine persönliche, sondern auch eine strukturelle Ebene.

Es geht um die Rolle der Armee im Staat. Israels Streitkräfte gelten als wichtigster Kitt der heterogenen Gesellschaft, als überparteiliche, von allen verehrte Truppe. Jaalon ist in dieser Armee groß geworden: Mit 18 trat er 1968 seinen Wehrdienst an, 2005 verließ er das Militär als Generalstabschef. Er hat an allen Fronten gekämpft, wurde verletzt und hoch dekoriert, und bei all dem ist er von der alten israelischen Schule, einer, der bis heute mit seiner Familie im Kibbuz lebt. Doch plötzlich muss er als Minister eine Truppe verteidigen, die sich auf ihre moralischen Werte beruft - und dafür aus der rechten Regierung heraus gescholten wird.

Mosche Jaalon forderte Soldaten dazu auf, nach ihrem eigenen Gewissen zu handeln

Deutlich wurde dies zunächst, als ein junger Soldat in Hebron einen wehrlos am Boden liegenden palästinensischen Attentäter per Kopfschuss tötete. Jaalon verurteilte dies als "abscheuliche Tat", Netanjahu dagegen sprach dem Vater des wegen Totschlags angeklagten Soldaten am Telefon Mut zu. Der nächste Graben tat sich auf am Holocaust-Gedenktag, als Vize-Generalstabschef Jair Golan davor warnte, dass es in Israels Gesellschaft aktuell Tendenzen gebe, die ihn an Deutschland zur Nazi-Zeit erinnerten. Netanjahu nannte die Aussagen des Generalmajors "empörend", Jaalon stellt sich schützend vor ihn - und legte dann noch einmal nach. In einer Rede vor Soldaten forderte er sie dazu auf, öffentlich ihre Meinung zu sagen und nach ihrem Gewissen zu handeln, auch wenn dies nicht mit den Positionen der Regierung oder des Oberkommandos übereinstimme. Sie sollten keine Angst haben und sich nicht danach richten, "woher der Wind weht".

Netanjahu hat dies offenbar als Kampfansage verstanden und seinen Verteidigungsminister zum Rapport bestellt. Nebenher ließ er noch lancieren, dass er dem nach der letzten Wahl in die Opposition abgerutschten früheren Außenminister Avigdor Lieberman das Verteidigungsministerium angeboten habe, falls er sich der Koalition anschließe. Jaalon darf das durchaus persönlich nehmen, und es wäre ein Wunder, wenn er sich nun keine Gedanken über die eigene politische Zukunft machen würde. Ehrgeiz ist ihm jedenfalls nicht fremd, und bisweilen hat er schon durchblicken lassen, dass er sich das Amt des Regierungschefs zutraue.

Die Zeitung Maariv befragte gleich mal das Wahlvolk, ob Mosche Jaalon eine Alternative sein könnte zu Benjamin Netanjahu. Das ernüchternde Ergebnis für den Minister war, dass er weder im eigenen Likud noch bei einem Seitenwechsel zur Opposition eine Chance hätte gegen den Amtsinhaber. Das zeigt, wie schnell heute auch der Lorbeer eines einst gefeierten Soldaten welkt.

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Quelle:
SZ vom 19.05.2016
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