Bericht zum Gaza-Krieg:Goldstone nimmt Vorwürfe gegen Israel zurück

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Israel habe absichtlich auf Zivilisten geschossen, hatte Richard Goldstone zum Gaza-Krieg geschrieben. Jetzt revidiert der Richter seine Einschätzung.

Peter Münch

Richter Richard Goldstone, der Israel in einem nach ihm benannten UN-Bericht zum Gaza-Krieg mögliche Kriegsverbrechen vorgeworfen hatte, hat öffentlich sein Urteil revidiert. "Wenn ich gewusst hätte, was ich heute weiß, wäre der Goldstone-Report ein anderes Dokument geworden, schrieb er in einem Beitrag für die Washington Post. Israels Regierung reagierte mit großer Genugtuung auf diese Kehrtwende. Premierminister Benjamin Netanjahu kündigte am Sonntag bei der wöchentlichen Kabinettssitzung eine internationale Kampagne zur Rehabilitierung der israelischen Armee an. Der Goldstone-Bericht, sagte er, gehöre "in den Mülleimer der Geschichte".

Im Gaza-Krieg zur Jahreswende 2008/2009 hatte Israel mit massiver militärischer Gewalt auf lang andauernden Raketenbeschuss durch die Milizen der Hamas reagiert. Bei den 22 Tage tobenden Kämpfen waren damals 13 Israelis und 1400 Palästinenser getötet worden, unter ihnen viele Zivilisten.

Im Auftrag der UN-Menschenrechtskommission hatte der Südafrikaner Goldstone, ein früherer Chefankläger des Jugoslawien-Tribunals, anschließend in seinem 575 Seiten umfassenden Untersuchungsbericht schwere Vorwürfe gegen beide Seiten erhoben. Nun lobt er Israel dafür, dass mittlerweile mehr als 400 Fälle von möglichen Vergehen der Armee intern untersucht worden seien. Goldstone beklagt allerdings immer noch, dass sich Israel damals strikt jeder Kooperation mit seinem Ermittlungsteam verweigert habe. Dadurch hätten viele Beweismittel nicht vorgelegen, "die wahrscheinlich unsere Schlussfolgerungen über Absicht und Kriegsverbrechen beeinflusst hätten", schrieb er.

Neuere Untersuchungen, die auch von einer nachfolgenden UN-Kommission bestätigt worden seien, ließen erkennen, so Goldstone, "dass Zivilisten nicht absichtlich zum Ziel" israelischer Angriffe gemacht worden seien.

Als Beispiel nannte er einen der Hauptanklagepunkte in seinem Bericht - den Beschuss des Hauses der Smouni-Familie, bei dem 29 Zivilisten getötet worden waren. Heute wisse man, dass der tragische Vorfall offenbar durch die falsche Auswertung eines Drohnen-Bildes verursacht worden sei. Gegen den dafür verantwortlichen Offizier werde in Israel ermittelt. Allerdings sei die Länge diese Ermittlungen "frustrierend", fügte Goldstone an. Während sich jedoch Israel den Vorwürfen gestellt habe, hätte die Hamas keinerlei Untersuchungen über den Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen eingeleitet, der klar gegen israelische Zivilisten gerichtet gewesen sei.

Israels Präsident Peres verlangt eine Entschuldigung

Die neuen Einschätzungen des renommierten Richters kamen auch für die Regierung in Jerusalem überraschend. Goldstone, der als Jude stets das Recht des jüdischen Staats auf Selbstverteidigung betonte hatte, war seit der Vorlage seines Berichts zum Ziel heftiger, auch persönlicher Angriffe geworden. Er wurde maßgeblich dafür verantwortlich gemacht, dass sich Israels Ansehen in der Welt nach dem Gaza-Krieg dramatisch verschlechtert hatte. Nun verlangte Präsident Schimon Peres von Goldstone eine Entschuldigung.

Verteidigungsminister Ehud Barak, der dieses Amt auch zur Kriegszeit inne hatte, forderte, Goldstone müsse nun auch vor die Vereinten Nationen treten und die neue Sicht erläutern. Israels Armee reagierte mit einer Mischung aus Bitterkeit und Genugtuung. "Der Schaden ist längst angerichtet", sagte ein Sprecher der Süddeutschen Zeitung, aber wenigstens werde nun deutlich, dass die israelischen Streitkräfte "alles tun, um moralisch das Volk zu beschützen".

Rund um den Gaza-Streifen droht mehr als zwei Jahre nach dem Krieg die Gewalt wieder zu eskalieren. Bei einem Luftangriff tötete die israelische Armee kürzlich drei Palästinenser, die zum bewaffneten Arm der Hamas gehörten. Radikale Palästinensergruppen drohten daraufhin gemeinsam mit Vergeltung.

© SZ vom 04.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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