Israel:Angst und Abschreckung

Nach Anschlägen auf Siedler im Westjordanland überbieten sich israelische Politiker mit Vorstößen zur Eindämmung des Terrors.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Israel: Mit brennenden Reifen gegen Soldaten: In der Umgebung von Ramallah versuchten Jugendliche, Razzien der israelischen Armee zu verhindern.

Mit brennenden Reifen gegen Soldaten: In der Umgebung von Ramallah versuchten Jugendliche, Razzien der israelischen Armee zu verhindern.

(Foto: Abbas Momani/AFP)

Israel weitet als Reaktion auf Anschläge die Siedlungsaktivitäten im Westjordanland und Strafmaßnahmen gegen Familien von Attentätern aus. In den vergangenen Tagen starben bei zwei Schussattentaten zwei israelische Soldaten und ein Baby. Zumindest für einen der Anschläge übernahm die radikalislamische Hamas die Verantwortung. Insgesamt vier mutmaßliche palästinensische Attentäter wurden nach israelischen Angaben getötet.

Die Anschläge lösten eine Spirale der Gewalt aus. Israelische Einsatzkräfte führten Razzien in Gebieten durch, die unter palästinensischer Verwaltung stehen. Bei Zusammenstößen rund um Ramallah, dem Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde, wurde nach palästinensischen Angaben ein 18-Jähriger von israelischen Einsatzkräften erschossen. Siedler blockierten Straßen, es kam zu Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern.

In seiner Eigenschaft als Verteidigungsminister ordnete Premier Benjamin Netanjahu die Zerstörung von Wohnungen mutmaßlicher Attentäter im Westjordanland an. Außerdem wurden die Arbeitsgenehmigungen für Familienmitglieder widerrufen, die in Israel tätig sind. Netanjahu erklärte vor Beginn der Kabinettssitzung am Sonntag, er habe verfügt, "den Status von Tausenden Wohnungen zu legalisieren". Für Ofra, einen Anschlagsort, wurde der Bau von 82 neuen Wohnungseinheiten genehmigt. Nahe Avnei Hefetz und Betar Illit sollen zwei Industriezonen entstehen. Ein Komitee des Parlaments stimmte am Sonntag für einen weiter reichenden Gesetzesvorschlag, der die Legalisierung von 66 Außenposten vorsieht, die teilweise weit im Westjordanland liegen. Laut Bezalel Smotrich, einem Abgeordneten der den Siedlern nahestehenden Partei Jüdisches Heim, beträfe das 6000 Wohnstätten. Das Sicherheitskabinett, das sich nach dem regulären Ministertreffen versammelte, beschloss am Montagabend ein weiteres Gesetzesvorhaben, für das vom Parlamentsausschuss ebenfalls grünes Licht gegeben wurde. Angestrebt wird ein Gesetz, das die zwangsweise Umsiedlung von Familienmitgliedern eines Attentäters an einen anderen Ort im Westjordanland ermöglichen soll. Heftigen Widerstand dagegen artikulierten der Generalstaatsanwalt, der Generalstabschef der Armee und der Chef des israelischen Inlandsgeheimdiensts. Sie äußerten rechtliche Bedenken und befürchten zusätzliche Spannungen. Aber Netanjahu steht unter politischem Druck, schärfer gegen Attentäter vorzugehen - auch aus den eigenen Reihen. Vor dem Sitz des Ministerpräsidenten hatten sich am Sonntag rund 200 Siedler und rechte Aktivisten versammelt und unter anderem gefordert, dass gewisse Straßen im Westjordanland nicht mehr von Palästinensern benutzt werden dürfen. Den Protesten schlossen sich neun Minister an, darunter vier von Netanjahus eigener Likud-Partei. Bildungsminister Naftali Bennett und Justizministerin Ajelet Schaked von der Partei Jüdisches Heim traten auch als Redner auf und attackierten Netanjahu.

Zwischen Netanjahu und Bennett, der nach dem Rücktritt von Avigdor Lieberman vor zwei Wochen Verteidigungsminister werden wollte, kam es im Kabinett zu heftigen Wortgefechten. Auch wenn dies zeigt, dass in der Regierung keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr möglich ist, will keiner den Schritt Richtung Neuwahlen setzen. Nach dem Rückzug Liebermans verfügt die Koalition nur noch über eine Stimme Mehrheit im Parlament.

Auch in der Familie Netanjahu gab es eine Reaktion auf die Anschläge im Westjordanland. Der 27-jährige Sohn Jair hatte nach den Angriffen auf Israelis dazu aufgerufen, deren "Tod zu rächen". Auf seiner Facebook-Seite schrieb er: "Es wird nie Frieden geben mit diesen Monstern in Form von Männern, die sich selbst seit 1964 'Palästinenser' nennen." Zuvor hatte er geschrieben: "Es wird hier keinen Frieden geben, bis: 1. alle Juden Israel verlassen. 2. alle Muslime Israel verlassen. Ich bevorzuge die zweite Option." Es gibt rund zwanzig Prozent arabische Israelis. Als mehrere seiner Posts gelöscht wurden und seine Seite für 24 Stunden blockiert wurde, kritisierte er Facebook als "Gedankenpolizei". Netanjahu hatte sich wiederholt von Äußerungen seines Sohnes distanziert, diesmal tat er dies nicht.

Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte in einer Stellungnahme die Anschläge und die Angriffe - "egal von welcher Seite". Zum Siedlungsausbau heißt es: "Wir bezweifeln zudem, dass eine solche Maßnahme als Reaktion auf die terroristische Gewalt gegen Israel angemessen ist." Dies trage nicht zur Deeskalation bei und berge die "Gefahr, die Ausgangsbedingungen für eine Zwei-Staaten-Lösung zu erschweren".

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