Die Bomben kamen am frühen Morgen, als die Menschen noch in ihren Zelten schliefen. Auf Fernsehbildern aus dem Gazastreifen sieht man drei große Krater, bis zu zehn Meter tief, Sanitäter graben mit Schaufeln im Sand nach Toten, sie finde oft nur noch die Teile von Leichen. Die TV-Aufnahmen zeigen Helfer, die mit bloßen Händen im Sand nach Überlebenden suchen. Nach Angaben der palästinensischen Rettungskräfte fehlt es an technischem Gerät für die Bergung von Toten und Verschütteten. Der Angriff habe ganze Familien ausgelöscht.
Mindestens 19 Menschen sind am Dienstagfrüh nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden getötet worden, unmittelbar nach dem Angriff waren sogar 40 Tote gemeldet worden. 60 Verletzte wurden in Krankenhäuser gebracht, die nach fast einem Jahr Krieg kaum noch funktionieren. 15 Menschen sollen noch vermisst sein.
Hunderttausende harren in Al-Mawasi aus
Der Angriff traf den Ort Al-Mawasi, der noch im Mai von Israel zu einer humanitären Zone erklärt worden war. Aus dem Städtchen mit 2000 Einwohnern ist mittlerweile ein überfülltes Lager mit mehreren Hunderttausend Menschen geworden. Sie müssen fast ohne sanitäre Anlagen auskommen, Krankheiten breiten sich aus.
Noch Ende August hatte die israelische Armee die Einwohner von Deir al-Balah vor einem Angriff aufgefordert, nach Al-Mawasi zu fliehen. Das nun erneut beschossen wurde, obwohl sich dort Zehntausende Familien in Sicherheit wähnten. Die israelische Armee sagte, der Angriff habe einem Hamas-Kontrollzentrum gegolten, das aus dem humanitären Gebiet heraus operiert habe. Belege dafür gibt es bisher nicht. Nach palästinensischen Angaben erfolgte der Angriff ohne Vorwarnung.
Angriffe auf Regionen, die kurz vorher als humanitäre Gebiete ausgewiesen worden waren, sind seit Monaten eine Realität dieses Krieges. Fast alle 2,3 Millionen Einwohner von Gaza sind bereits mindestens einmal vertrieben worden, sehr viele sind ständig auf der Flucht. Der UN zufolge hat die israelische Armee bereits zu Evakuierungen von 86 Prozent des Gebietes aufgefordert. Mehr als 40 000 Menschen wurden nach palästinensischen Angaben bereits getötet.
Ein UN-Konvoi für Kinderimpfungen wurde beschädigt
Die medizinische Versorgung in Gaza ist an vielen Orten zum Erliegen gekommen, Krankheiten breiten sich aus, vor wenigen Wochen wurden die ersten Polio-Fälle gemeldet. Israel und die Hamas einigten sich zumindest auf temporäre Waffenruhen, um 640 000 Kinder gegen Polio zu impfen, bei etwa 440 000 ist das bereits geschehen. Am Dienstag wurde die Impfkampagne unterbrochen, nachdem israelische Streitkräfte einen UN-Konvoi mit Waffengewalt angehalten hatten, der auf dem Weg zum Start der letzten Phase der Impfungen war. Nach UN-Angaben wurde der Konvoi durch israelische Bulldozer stark beschädigt, die israelische Armee erklärte, sie habe nach „Verdächtigen“ unter den UN-Mitarbeitern gesucht.
Die Versorgung mit Lebensmitteln ist weiter prekär und der Grenzübergang Rafah nach Ägypten noch immer geschlossen. Hilfsorganisationen berichten, es komme weiter zu wenig Nahrung nach Gaza. Michael Fakhri, der UN-Untersuchungsbeauftragte für das Recht auf Nahrung, wirft Israel vor, eine „Hungerkampagne“ gegen die Bevölkerung von Gaza zu führen. Eine Behauptung, die der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu als „empörend falsch“ zurückwies.