Israel:Abu Yairs neue Freunde

Benjamin Netanyahu

Neue Wege zu einer Mehrheit: Israels Premier Benjamin Netanjahu versucht nun den Flirt mit den arabischen Israelis.

(Foto: Oded Balilty/AP)

Beim vierten Wahlkampf binnen zwei Jahren entdeckt Israels Premier Benjamin Netanjahu neues Stimmpotenzial unter den arabischen Israelis - die teils mit Spott, teils mit Zufriedenheit reagieren.

Von Peter Münch, Tel Aviv

In Tira und in Umm al-Fahm, zwei Städtchen im Norden Israels mit arabischer Einwohnerschaft, ist in diesen Tagen ein seltener und unerwarteter Besucher aufgetaucht: Premierminister Benjamin Netanjahu. Er war gekommen, um die eher skeptische Bevölkerungsgruppe vom Segen der Impfkampagne seiner Regierung zu überzeugen. Doch unter der coronabedingten Maskierung hat er dort nicht nur für das Vakzin geworben, sondern auch um Stimmen bei der anstehenden Parlamentswahl am 23. März.

Bei dieser vierten Neuwahl in nicht einmal zwei Jahren droht es so knapp zu werden für Netanjahu, dass er nun auch die arabischen Wähler für sich entdeckt, die immerhin ein Fünftel der Gesamtklientel ausmachen. Manche halten das für zynisch und verlogen. In jedem Fall ist es eine rasante Kehrtwende. Doch sie entspringt einem kühlen politischen Kalkül.

Bislang war Netanjahu in seinen Wahlkämpfen vor allem dadurch aufgefallen, dass er harte Kante zeigte gegenüber der arabischen Bevölkerung. Als im März 2020 die arabische Vereinigte Liste 15 der insgesamt 120 Knesset-Sitze gewann, warf er deren Wählern vor, für "Terrorunterstützer" gestimmt zu haben. Bei der Wahl 2019 platzierte seine Likud-Partei "Beobachter" mit versteckten Kameras in arabischen Wahllokalen, um angebliche Betrügereien zu dokumentieren. Am Wahltag 2015 schließlich versetzte Netanjahu seine Anhänger in Alarmstimmung mit der Videobotschaft, dass die "arabischen Wähler in Scharen in die Wahllokale drängen".

Beim Flirt mit den arabischen Wählern unterläuft dem Premier eine PR-Panne

Dass er diese Scharen nun zum Likud umleiten möchte, hat er übereinstimmenden israelischen Medienberichten zufolge hinter verschlossenen Türen damit begründet, dass dort mindestens zwei Sitze zu gewinnen seien. Dafür könnte, so ließ er durchsickern, ein arabischer Bewerber auf einen vorderen Likud-Listenplatz gehievt und womöglich später sogar mit einem Ministeramt belohnt werden.

Ein wenig fremd allerdings ist ihm und seinen Beratern das neue Spielfeld doch noch. Belegt wird dies durch eine PR-Panne beim Auftritt in Umm al-Fahm, wo sich Netanjahu vor den Kameras stolz mit jenem arabischen Bewohner zeigt, der gerade als einmillionster Israeli die Corona-Impfung erhalten hatte. Später dann stellte sich heraus, dass dieser Mann nicht unbedingt zum Posterboy der Likud-Kampagne taugt, weil er wegen bewaffneten Überfalls und anderer Gewaltdelikte 14 Jahre im Gefängnis gesessen hatte.

Allerdings gibt es auch einen aktuellen Anknüpfungspunkt, mit dem Netanjahu um arabische Wähler werben kann: die Normalisierungsabkommen zwischen Israel und vier arabischen Staaten. Umfragen zufolge werden die von fast zwei Dritteln der israelischen Araber sehr positiv gesehen - nicht zuletzt, weil sich speziell für sie Chancen ergeben könnten aus den verbesserten wirtschaftlichen Beziehungen. Die arabische Vereinigte Liste stimmte jedoch im Parlament geschlossen gegen diese Abkommen.

Die arabische Vereinigte Liste ist ein höchst heterogenes Gebilde

Netanjahu könnte also die Chance wittern, einen Keil zwischen die arabischen Wähler und ihre politischen Repräsentanten zu treiben. Ohnehin ist die Vereinigte Liste ein fragiles und höchst heterogenes Gebilde, das Islamisten und Feministen, Kommunisten und Nationalisten umfasst. Interner Unfrieden war hier schon vor Wochen gesät worden, als der arabische Abgeordnete Mansour Abbas plötzlich eine Nähe zu Netanjahu erkennen ließ und erklärte, die arabische Minderheit dürfe sich nicht länger von Israels Linker vereinnahmen lassen.

Jener Abgeordnete Abbas reagierte nun auch mit einiger Zufriedenheit auf Netanjahus neue Aufmerksamkeit für den arabischen Sektor. Andere Vertreter der arabischen Israelis reagierten dagegen mit Wut oder auch Spott auf diese Wende. "Er kann von nun an bis zur Wahl auch eine Dschalabija tragen und sich selbst Abu Yair nennen", meinte der Abgeordnete Ahmed Tibi mit Blick auf den Namen von Netanjahus ältestem Sohn. "Wer immer ihm das glaubt, der verdient ihn auch."

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