Israel:Abschied vom Best Buddy

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Mit Trump verlieren Konservative und Nationalisten an außenpolitischem Rückhalt. Doch Joe Biden wird nicht jede Entscheidung des Vorgängers revidieren wollen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

In diesem Fall hat selbst das Beten nichts genutzt. Vor dem Grab der Patriarchen in Hebron hatten sich die Siedler versammelt, um dem Herr für das segensreiche Wirken des US-Präsidenten Donald Trump zu danken und dessen Wiederwahl zu erbitten. Auch hoch oben in Jerusalem, in der Residenz des Premierministers, dürfte der Langzeitbewohner Benjamin "Bibi" Netanjahu bei der Auszählung dem besten Buddy, den er je im Weißen Haus hatte, bis zum Schluss die Daumen gedrückt haben. Doch vergeblich war auch das, und am Ende musste Israels Regierungschef via Twitter dem designierten US-Präsidenten Joe Biden zum Wahlsieg gratulieren. Und das noch mit möglichst warmen Worten.

"Joe, wir pflegen seit 40 Jahren eine lange und herzliche Beziehung und ich kenne dich als großen Freund Israels", ließ Netanjahu Biden via Twitter wissen. Nun freue er sich, mit ihm zusammen "die besondere Allianz zwischen den USA und Israel weiter zu stärken". Das klingt versöhnlich, und tatsächlich ist Bidens Wahlsieg für Netanjahu immerhin die zweitbeste Option. Denn an dessen Unterstützung für Israel kann es keinen Zweifel geben. Doch die goldenen Zeiten sind erst einmal vorbei, und deshalb hat Israels Regierungschef mit seiner Gratulation nicht nur bis zum Sonntagmorgen gewartet. Er hat auch gleich noch einen Tweet hinterhergeschickt, in dem er noch einmal der Freundschaft mit Trump huldigt.

Denn jenseits dessen, was Trump im eigenen Land und in der Welt angerichtet hat, wird er in Israel in allerbester Erinnerung gehalten werden - und nicht nur die Bewohner einer geplanten neuen Siedlung auf den Golanhöhen werden sich nun bange fragen, was aus dieser kurzen und heftigen Ära gerettet werden kann. "Ramat Trump" soll ihre Siedlung heißen, Trump-Höhe.

Rückkehr zum alten nahöstlichen Muster

Alles wird Biden gewiss nicht revidieren können oder wollen. Die von Trump nach Jerusalem verlegte US-Botschaft zum Beispiel will er erklärtermaßen nicht wieder nach Tel Aviv zurückbeordern. Fortgesetzt werden dürften auch die Bemühungen, weitere Normalisierungsabkommen zwischen Israel und arabischen Staaten zu vermitteln, nach dem Muster der Vereinbarungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Sudan. Doch vieles dürfte nun wieder anders, also nach altem nahöstlichen Muster verlaufen. Für Israel bedeutet das: Vorwärts in die Vergangenheit der schwierigen Jahre unter US-Präsident Barack Obama, dem Biden bekanntermaßen als Vizepräsident gedient hatte.

Die größte Sorge der israelischen Regierung besteht darin, dass Biden das von Trump aufgekündigte Atomabkommen mit Iran neu aufleben lassen will. Tzachi Hanegbi, Siedlungsminister und als Sprachrohr Netanjahus bekannt, hat deshalb schon einmal vorsichtshalber gewarnt, dass dies "zu einer gewaltsamen Konfrontation zwischen Israel und Iran führen wird".

Nicht nur hier läuft es auf eine Neuauflage der alten Schlachtordnung hinaus, sondern auch beim Thema Siedlungsbau, der mit Trumps Einverständnis in den vergangenen vier Jahren enorm forciert worden war. Biden wird wie schon immer in seiner politischen Karriere darauf pochen, dass der Siedlungsbau gegen das Völkerrecht verstößt. Komplett in den Archiven verschwinden dürfte der von Trump im Januar unter dem Schlagwort "Deal des Jahrhunderts" präsentierte sogenannte Friedensplan, der Israel eine Annexion von bis zu 30 Prozent des Westjordanlands zugestanden hatte. Von der künftigen US-Regierung ist zu erwarten, dass sie den Fokus wieder auf die klassischen Verhandlungen zur Zweistaatenlösung richtet.

Nicht jede Hoffnung der Palästinenser wird sich erfüllen

Damit kommen auch wieder die Palästinenser ins Spiel, die unter Trump rüde an die Seitenlinie verbannt worden waren und sich dort in ihrer Fundamentalopposition eingerichtet hatten bis hin zum Abbruch aller Kontakte nach Washington und der Aufhebung aller Vereinbarungen mit Israel. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas signalisierte sogleich, dass er sich auf eine Zusammenarbeit mit Biden freue, "um die palästinensisch-amerikanischen Beziehungen zu verbessern und Freiheit, Unabhängigkeit und Würde für unser Volk zu erzielen".

Konkret können die Palästinenser damit rechnen, dass die von Trump vor zwei Jahren geschlossene PLO-Vertretung in Washington ebenso wieder geöffnet wird wie das amerikanische Konsulat im arabischen Ostteil von Jerusalem. Zudem dürfte Biden die gestoppte Finanzhilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah sowie für UN-Projekte zugunsten der Palästinenser wieder aufleben lassen.

Doch die größte Hoffnung der Palästinenser, mit einem Präsidenten Biden die Lösung ihres Konflikts mit Israel wieder zurück ins Zentrum der nahöstlichen Politik zu rücken, wird sich kaum erfüllen. So einfach lässt sich nach vier Jahren Trump die Uhr nicht mehr zurückdrehen, und von Iran bis zu den arabischen Golfstaaten sind überall neue Mitspieler und neue Interessen aufs Spielfeld gerückt.

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