Geknirscht hat es länger schon, jetzt kam es zum Knall: Am Sonntagnachmittag löste der isländische Ministerpräsident Bjarni Benediktsson die Regierung auf. In einer eilends einberufenen Pressekonferenz gab er „zunehmende Meinungsverschiedenheiten“ in Asylfragen und dem Thema der Energiepolitik an.
Die Koalition bestand aus der konservativen Unabhängigkeitspartei, deren Vorsitzender Benediktsson ist, der liberal-konservativen Fortschrittspartei und den linkspolitisch orientierten Grünen. Diese Koalition regiert das Land seit 2017. Svandís Svavarsdóttir, die Vorsitzende der Grünen, und Sigurður Ingi Jóhannsson, Vorsitzender der Fortschrittspartei, sagten beide, dass die Entscheidung sie überrascht habe.
Svavarsdóttir fügte hinzu, dass Benediktsson nun zum zweiten Mal in seiner Karriere eine Koalition aufgelöst habe: 2017 war er schon einmal Ministerpräsident, damals hatte das Bündnis nur acht Monate Bestand. Die jetzige Koalition hatte zwar sieben Jahre gehalten und schaffte 2021 die Wiederwahl, allerdings hat Benediktsson die Regierungsgeschäfte erst im April übernommen, nachdem Katrín Jakobsdóttir ihren Rücktritt vom Amt der Premierministerin angekündigt hatte, um bei den Präsidentschaftswahlen anzutreten. Diesmal hat es also nur zu sechs Monaten im Amt gereicht.
Koalition sollte nach Panama Papers Vertrauen zurückgewinnen
Die Dreiparteienkoalition war seinerzeit auch als Reaktion auf die sogenannten Panama Papers entstanden, in denen aufgedeckt worden war, dass verschiedene isländische Minister Offshorekonten hatten. Die drei programmatisch deutlich unterschiedlichen Parteien hatten damals eine Art große Koalition gebildet, um das Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen. Dann mussten sie Corona meistern, was ziemlich gut gelang. Zuletzt aber war es immer wieder zu heftigem Streit gekommen, vor allem in Fragen der Umwelt- und der Migrationspolitik.
Während die Fortschritts- und die Unabhängigkeitspartei auf eine starke Begrenzung der Einwanderungszahlen drängte, vertraten die Grünen eine liberale Position. Und während die Unabhängigkeitspartei für den dringenden Bau mehrerer neuer Kraftwerke plädiert, legten die Grünen dagegen aus Umweltgründen immer neu ihr Veto ein.
Die Grünen-Vorsitzende Svavarsdóttir hatte zuletzt öffentlich für Neuwahlen im Frühjahr plädiert, was von den anderen Koalitionspartnern als schwerer Affront gesehen wurde. Nun sind die Neuwahlen für den 30. November angesetzt, im Moment führen die Sozialdemokraten aus der Opposition heraus alle Umfragen deutlich an.