Klimawandel:Island begräbt seinen ersten Gletscher

Klimawandel: Was vom Gletscher übrigblieb: Reste des Okjökull in Island.

Was vom Gletscher übrigblieb: Reste des Okjökull in Island.

(Foto: AFP)
  • Island trauert um den Okjökull. In einer Zeremonie enthüllten Wissenschaftler und Politiker eine Gedenktafel für den verschwundenen Gletscher.
  • Die Tafel bezeichnet den Okjökull als den ersten isländischen Gletscher, der Opfer des menschengemachten Klimawandels wurde.
  • Der Klimawandel soll auch eines der wichtigsten Themen bei einem Gipfel der nordischen Länder sein, zu dem am Dienstag auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet wird.

Von Kai Strittmatter, Reykjavik

Am Sonntag haben Wissenschaftler und Politiker in Island eine Gedenktafel enthüllt für den ersten großen Gletscher des Landes, den Geologen zum Opfer des Klimawandels erklärt hatten. Unter den Rednern waren Katrín Jakobsdóttir, die Premierministerin des Landes, und Mary Robinson, die ehemalige Präsidentin Irlands und UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. "Wir wollen damit einen Verlust anerkennen", sagte die Anthropologin Cymene Howe von der Rice-Universität, eine der Organisatorinnen der Veranstaltung. "Aber wir wollen auch unterstreichen, dass der Klimawandel eine Folge menschlichen Handelns ist. Wir Menschen haben den Ok-Gletscher auf dem Gewissen, und das sollte uns beunruhigen." Mary Robinson sagte: "Der Tod dieses Gletschers ist eine Warnung für uns. Dies ist der Moment, um aufzuwachen. Wir brauchen Taten."

Der Ok-Gletscher (isländisch: Okjökull) hatte einst eine Fläche von 16 Quadratkilometern bedeckt und war in den letzten Jahren auf weniger als vier Quadratkilometer geschmolzen. "Er verschwand viel schneller, als ich das erwartet hatte", sagte Oddur Sigurðsson, ein Geologe des isländischen Wetteramtes, der die Ausbreitung der isländischen Gletscher 30 Jahre lang erforscht und kartografiert hat. Sigurðsson hatte Okjökull im Jahr 2014 seinen Status als Gletscher offiziell aberkannt und die Überreste zum "toten Eis" erklärt. Sigurðsson zählt im Moment weniger als 300 Gletscher in Island und prophezeit ihr Verschwinden in weniger als zwei Jahrhunderten. "Wir stehen vor enormen Veränderungen", sagt er.

"Die Zeit ist gekommen, um zu handeln. Die Klimakrise ist hier."

"Es ist normal, dass Gletscher wachsen und schrumpfen", sagte der isländische Schriftsteller Andri Snaer Magnason, der den Text der Gedenktafel verfasst hat. "Aber es ist nicht normal, dass 500 Jahre Wachstum in nur 50 Jahren verschwinden." Magnason sagte, um den menschengemachten Klimawandel zu bekämpfen, brauche es einen "Paradigmenwechsel" in Politik und Gesellschaft. Von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Staatschefs der nordischen Länder, die am Dienstag in der isländischen Hauptstadt Reykjavik zusammenkommen, erhoffe er sich ein "klares Signal" dafür. Merkel wird als Ehrengast bei dem Gipfel erwartet. Der Klimawandel und die sich rapide wandelnde Arktis stehen bei dem Treffen auf der Tagesordnung.

Katrín Jakobsdóttir, die isländische Premierministerin, sagte bei der Enthüllung der Gedenktafel für den toten Gletscher, Island werde dafür sorgen, dass das Thema in der Agenda ganz nach oben kommt: "Die Zeit ist gekommen, um zu handeln. Die Klimakrise ist hier. Die Führer der Welt müssen das erkennen. Wir müssen zusammenarbeiten, wie wir das nie zuvor getan haben. Wir müssen Berge versetzen, unsere Leben und unsere Systeme neu denken."

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